Die Kirche und das Geld

19. Oktober 2020 | von

Unser Autor stellt das deutsche Phänomen „Kirchensteuer“ vor. Ausgehend vom Mitgliederrückgang und sinkenden Einnahmen suchen Bistümer in Deutschland neue Wege. Doch sie bleiben angewiesen auf die Unterstützung durch ihre Mitglieder.

Die Zahlen passen nicht zusammen: Trotz zahlreicher Kirchenaustritte im Jahr 2019 sind die Einnahmen aus der Kirchensteuer im selben Jahr gestiegen. Die Kirchenstatistik, die Ende Juni 2020 veröffentlicht wurde, zeigt, dass im Jahr 2019 insgesamt 272.771 Menschen den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt haben. Damit liegt die Zahl der Kirchenaustritte so hoch wie nie zuvor. In Umfragen wird als häufigster Grund für den Kirchenaustritt die Kirchensteuer angegeben. Wenn man die Sterbefälle hinzurechnet, dann ist im Jahr 2019 die Zahl der Katholiken in Deutschland um über 400.000 Menschen gesunken. Die Anzahl der Katholiken 2019 betrug 22.600.371 (2018: 23.002.128). Der Katholikenanteil an der Bevölkerung Deutschlands ging 2019 auf 27,2 Prozent zurück. 2018 waren noch 27,7 Prozent katholisch.

Erst mehr Geld, dann Sparpläne
Im gleichen Zeitraum stieg allerdings das Nettoeinkommen der von Katholiken entrichteten Kirchensteuer von 6.642.765.800 € im Jahr 2018 auf 6.760.822.900 € im Jahr 2019. Das ist ein Plus von 118.057.100 €. Der nominale Anstieg der Kirchensteuer erklärt sich durch die gute Konjunktur im Jahr 2019 und durch die hohe Zahl von Beschäftigungsverhältnissen. Zu berücksichtigen sind allerdings gestiegene Preise und vor allem die höheren Lohn- und Gehaltskosten. Wenn man auf die tatsächliche Kaufkraft schaut, sieht das Ergebnis längst nicht mehr so positiv aus. Für das Jahr 2020 sind gegenüber 2019 spürbare Rückgänge zu erwarten: Aufgrund der Corona-Pandemie wird ein allgemeiner Konjunktureinbruch von mindestens 6,5 % in Deutschland erwartet, die Zahl der registrierten Arbeitslosen dürfte von 2,2 auf 2,7 Millionen Menschen im Jahresschnitt steigen. Kurzarbeit sorgt ebenfalls für einen Rückgang des Lohn- und Gehaltsniveaus. Eine ganze Reihe von Bistümern hat daher für das laufende Jahr schon Sparmaßnahmen beschlossen. Bis zum Jahr 2060 wird zudem mit einem Rückgang der Kaufkraft aller katholischen (Erz-)Bistümer in Deutschland um etwa die Hälfte gerechnet.

Steuerliche Probleme
Die Kirchensteuer macht aber nicht nur den Bischöfen und ihren Finanzdirektoren Sorgen, sondern mitunter auch den Zahlern der Kirchensteuer. So kann im Zusammenhang mit der Corona-Krise beispielsweise die Situation entstehen, dass bei einem Selbstständigen, der im Jahr 2019 sehr gut verdient hatte und daher zu entsprechenden Steuervorauszahlungen im Jahr 2020 veranlagt worden war, plötzlich die laufenden Einnahmen wegbrechen. Nun geht es darum, an allen möglichen Ecken und Enden zu sparen, um über die Runden zu kommen. Bei der Gelegenheit kann auch mal die Kirchensteuer als Einsparmöglichkeit in den Blick kommen. So soll es Steuerberater geben, die ihren Klienten raten, den Kirchenaustritt zu erklären, um die Kirchensteuer zu sparen.
Vor diesem Hintergrund hat das Landeskomitee der Katholiken in Bayern, das die Laienräte der sieben bayerischen (Erz-)Bistümer repräsentiert, an die bayerischen Diözesen appelliert, die Kirchensteuer vor allem bei Abfindungen infolge von Jobverlust und bei Lohneinbußen etwa durch Kurzarbeit individuell zu bemessen. Die Kirchensteuerämter sollten zudem die Möglichkeit prüfen, die Zahlung der Kirchensteuer auf mehrere Jahre hin zu strecken.

Entgegenkommen der Kirche
Das Erzbistum Freiburg hat diesbezüglich bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Auf der Homepage des Erzbistums findet sich unter der Überschrift „Corona und Kirchensteuer“ die Information, dass sich die Erzdiözese Freiburg mit der Frage befasst hat, wie Kirchensteuerpflichtigen bei Zahlungsproblemen infolge der Corona-Krise geholfen werden kann. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Kirchensteuer eine sogenannte „Zuschlagsteuer“ ist. Das bedeutet, dass staatliche Maßnahmen wie etwa Stundungen und Erlasse bei der Einkommensteuer automatisch auch für die Kirchensteuer mit nachvollzogen werden. Deshalb dürften viele Betroffene bereits durch die großzügigen steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Krise automatisch und direkt auch bei der Kirchensteuer Entlastungen erfahren. Wenn es aber dennoch klemmt, können die Kirchensteuerpflichtigen mit dem Entgegenkommen des Erzbistums rechnen: „Für Kirchenmitglieder, die kirchensteuerpflichtig sind, ergeben sich aus den nun angepassten und den bereits bestehenden rechtlichen Grundlagen folgende Optionen:
1. Diejenigen, deren Einkommen zurückgeht oder entfällt, zahlen automatisch weniger Steuern und damit auch weniger Kirchensteuern.
2. Wer nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von Einnahmeausfällen betroffen ist, kann bei der zuständigen Finanzverwaltung einen Antrag auf Steuerstundung stellen, der bei Genehmigung ebenfalls automatisch zu einer entsprechenden Entlastung bei den Kirchensteuern führt.
3. Wird ein Stundungsantrag von der Finanzverwaltung abgelehnt, kann bei besonderen Notlagen ein Antrag auf Stundung der Kirchensteuer bei der Erzdiözese Freiburg gestellt werden.
4. Verliert jemand durch eine betriebsbedingte Kündigung oder eine Arbeitsvertragsauflösung seinen Arbeitsplatz, kann für eine etwaige Abfindung bei der Erzdiözese Freiburg ein Teilerlass der darauf entfallenden Kirchensteuer beantragt werden.“

Solidarisches Miteinander
Im Einzelfall kann also geholfen werden, im generellen Fall sind die Diözesen aber auf die Kirchensteuer angewiesen. Deshalb findet sich auf der Homepage des Erzbistums auch der Dank an alle Kirchensteuerzahler „für ihr solidarisches Miteinander in den aktuell schwierigen Zeiten. Nur wenn jeder im Rahmen der Möglichkeiten und individuellen Leistungsfähigkeit weiterhin seinen Beitrag leistet, kann die Kirche als Solidargemeinschaft ihren Auftrag in Seelsorge, Bildung und Caritas erfüllen.“

Pflicht zur finanziellen Unterstützung
Die Kirchensteuer in Deutschland beruht auf staatlichem Recht. Das erste Kirchensteuergesetz wurde am 18. Juni 1892 erlassen. Damit hat der Staat die Pflicht zur Finanzierung der Kirchen größtenteils auf die Kirchenglieder umgelegt. Aber auch das Kirchenrecht kennt eine entsprechende Verpflichtung. So lautet c. 222 § 1 CIC (Codex Iuris Canonici; Gesetzbuch der lateinischen Kirche): „Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind.“ Die Diözesanbischöfe sind gemäß c. 1261 § 2 CIC gehalten, „die Gläubigen an die in c. 222 § 1 CIC genannte Verpflichtung zu erinnern und in geeigneter Weise auf ihre Erfüllung zu drängen.“
Der verpflichtende Solidarbeitrag der Kirchenglieder wird in den deutschen Diözesen nur von denjenigen erbracht, die Lohn- oder Einkommensteuer bezahlen müssen, in Form eines Zuschlags in Höhe von 8 oder 9 % auf diese Steuer. Wer aber nicht lohn- oder einkommensteuerpflichtig ist und folglich auch keine Kirchensteuer bezahlt, ist im Sinne des c. 222 § 1 CIC gehalten, die Kirche je nach Leistungsfähigkeit mit Spenden zu unterstützen. Es ist zu hoffen, dass andere Diözesen dem Beispiel Freiburgs folgen, und ebenso, dass alle Kirchenglieder in der einen oder anderen Form ihren finanziellen Beitrag zu den Aufgaben der Kirche leisten.
 

Zuletzt aktualisiert: 19. Oktober 2020
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