Ein Seliger mit Jeans und Internet
Unmittelbar nach dem Franziskusfest 2020 rückte ein junger Mensch ins Blickfeld der kirchlichen Öffentlichkeit, der diesem Gedanken Namen und Gesicht gibt: „Gott ist ewig jung; er braucht Menschen, die sein Temperament ausstrahlen.“ In der Oberkirche San Francesco in Assisi fand die Seligsprechung von Carlo Acutis statt, einem „Influencer Gottes“ – „früh vollendet“. Das junge Informatikgenie schlägt gleichsam eine Brücke zum bedrängenden Thema, wie der christliche Glaube an die nächsten Generationen lebensnah und authentisch weitergegeben werden kann. Zugleich ist das Ereignis eine Einladung, beim nächsten Assisibesuch auch beim Grab von Carlo Acutis in Santa Maria Maggiore innezuhalten. Sein Wunsch, in der Stadt des Poverello beigesetzt zu werden, ging in Erfüllung. Was hat ihn im Leben sonst angetrieben?
Unterwegs im Netz und bei den Armen
Am 3. Mai 1991 freuen sich Andrea Acutis und Antonia Salzano über die Geburt ihres ersten Kindes, das in London zur Welt kommt. Die wohlhabenden Eltern ziehen mit ihrem Sohn um nach Mailand. Dort besucht er die Grundschule, dann das musische Gymnasium „Leo XIII.“. Sein lebhaftes Interesse gilt der Informatik; er entwickelt nicht nur eigene Programme und Filmmontagen, er bringt auch Comic-Hefte mit religiösen Inhalten auf den Markt. Mit 11 Jahren erstellt Carlo bereits ein Verzeichnis der eucharistischen Wunder in der ganzen Welt. Er ist kein sonderbarer Einzelgänger, der sich im digitalen Raum bewegt und „verliert“. Seine besondere Begabung in puncto Umgang mit dem Computer kommt den Gläubigen seiner Pfarrei zugute: Er gestaltet den Internetauftritt. Zudem hält er Firmkatechesen und wird zum Freund von Obdachlosen und Geflüchteten. Bei seinem Requiem 2006 wird offenkundig, wie viele bedürftige Menschen er unterstützt hat – für die Eltern durchaus überraschend! Es dürften auch Klassenkameraden dabei gewesen sein, denen er beim Lösen ihrer Probleme unspektakulär zur Verfügung stand.
Sakramentale Frömmigkeit
Guiseppe Sala, Bürgermeister von Mailand, verweist in seiner Würdigung des jungen Seligen auf das Fundament seines Wirkens: „Er war ein Junge wie viele andere, aber in seinem Schulranzen hatte er außer den Büchern auch einen tiefen Glauben, mit dem er die, die ihn kennenlernten – persönlich oder im Netz – , ansteckte.“ Seine Leidenschaft, vor allem junge Menschen für Jesus zu gewinnen, hält Carlo am Brennen durch ein konsequentes geistliches Leben. Dazu gehört an erster Stelle die tägliche Mitfeier der Heiligen Messe, für ihn die „Autobahn in den Himmel“! Den Empfang des Sakramentes der Versöhnung empfindet er wie das Abwerfen von Lasten beim Flug eines Heißluftballons; auch die kleinsten Verfehlungen sollen wahrgenommen und losgelassen werden, weil sie auf dem Weg zu Gott hindern. Es macht ihn nachdenklich, wieviel Zeit seine Altersgenossen aufbringen, um vor einem Rockkonzert in der Schlange zu stehen, und wie schwer es fällt, dem eucharistischen Herrn im Tabernakel Zeit zu schenken. Er erinnert daran, die Pflege der Schönheit der Seele nicht zu vernachlässigen. Der Rosenkranz ist die „kürzeste Leiter“ zu Gott, dem wir unsere Existenz verdanken. Die „Kleinen“ im Heiligenkalender sind besondere Vorbilder für den jugendlichen „Cyber-Apostel“: Bernadette von Soubirous, die Hirtenkinder von Fatima, Tarzisius, nicht zuletzt Franz von Assisi. Seine Eltern haben in Assisi ein Ferienhaus, so dass der Junge früh mit dem Poverello vertraut ist.
Schneller Tod, frühe Seligsprechung
Anfang Oktober 2006 erhält Carlo die Diagnose: Leukämie vom Typ M 3. In der verbleibenden kurzen Lebensspanne verbindet der junge Mann sein Leid im Gebet mit den Anliegen der Kirche und des Papstes. Am 12. Oktober kehrt „Schwester Tod“ ein und öffnet die Tür zum neuen Leben. 2013 leiten die lombardischen Bischöfe seine Seligsprechung ein, die von den eigenen Eltern stark gefördert wird. Auf die Fürsprache des jugendlichen Apostels wird ein Kind in Brasilien geheilt – ein Wunder!
Am 10. Oktober fand die Seligsprechungsfeier in der Oberkirche von Assisi statt. Agostino Kardinal Vallini stellte besonders die Sehnsucht nach der Eucharistie, sein Engagement der Evangelisierung im Netz und seine karitative Ader als Vorbild für junge Menschen vor Augen. Persönlich berührten mich auch die Anwesenheit seiner 10-jährigen Geschwister, die Zwillinge Francesca und Michele, die Gabenprozession mit Br. Thomas Freidel und einem Reliquiar, die Umarmung der Eltern seitens des Kardinals und die fröhlichen Lieder junger Menschen beim Öffnen des Hochsarges Tage vorher. Den Leichnam konnte man mit Jeans, Turnschuhen und Sweatshirt sehen, den Rosenkranz um die Hände. Das Christusmonogramm ist gleichsam die Brille auf sein ganzes Leben. Den Segen Gottes erbitten wir dreifach: für die Betenden an seinem Grab, die Bedürftigen an der Suppenküche nahe Santa Maria Maggiore und allen, die junge Menschen heute froh und kreativ zu den Geheimnissen des Glaubens hinführen – persönlich und im Netz.