800 Jahre Franziskaner-Minoriten in Würzburg
Wenn das Jubiläum wegen Corona schon nicht „richtig“ gefeiert werden konnte, so soll die 800-jährige franziskanische Präsenz in Würzburg doch zumindest in unserer Zeitschrift Sendbote einen prominenten Platz erhalten. In unserem Thema des Monats blicken wir auf die Geschichte der ältesten erhaltenen Niederlassung des Franziskus-Ordens in Deutschland und die „Feier im kleinen Rahmen“ vor einigen Wochen zurück.
Als im Herbst 1221 die ersten Minderbrüder nach Würzburg kommen, wird ihnen von Bischof Otto von Lobdeburg ein Platz an der St. Bartholomäusklause zugewiesen – etwa dort, wo sich heute das Priesterseminar und die Kirche St. Michael befinden. Eine Urkunde aus dem Jahr 1245 bestätigt, dass sich die Brüder unter anderem um die Seelsorge an den Aussätzigen auf dem Wöllrieder Hof kümmern und besonders beim armen Volk sehr beliebt sind. Weil die Gemeinschaft immer größer wird, bekommen die Brüder am 27. November 1249 einen neuen Platz zugewiesen – am heutigen Standort des Würzburger Franziskanerklosters und bei der damals schon existierenden Valentinuskapelle. Rasch wird mit dem Bau einer eigenen Kirche im Stil der typischen Bettelordensarchitektur begonnen. Das Kloster wächst und entwickelt sich und hat bald, trotz aller Rückschläge und Schwierigkeiten, seinen festen Platz in der Domstadt.
Lob von hoher Stelle
Im Jahr 1705 schreibt der Weihbischof anerkennend an die römische Ordensleitung: „Die hiesigen Franziskaner führen seit langer Zeit ein sehr vorbildliches Leben, ohne Verdacht irgendeines öffentlichen Ärgernisses, sind im Predigen des Wortes Gottes, in der Zelebration von Messen, im Chorgebet und im Beichthören eifrig, wobei die Gläubigen in großer Zahl am Feste und in der Oktav des heiligen Bischofs und Märtyrers Valentinus, von dem bedeutende Reliquien bei ihnen aufbewahrt sind, aus ganz Franken zusammenströmen. Von der Stadt Würzburg kommen die Gläubigen das ganze Jahr hindurch, besonders an den Antoniusdienstagen, fleißig zum Beichten. Die Franziskanerpatres sind im Besuch der Kranken und Sterbenden eifrig. Sie erfreuen sich des vollen Vertrauens und Wohlwollens des Fürstbischofs, der übrigen Prälaten und Großen. Einer aus ihrem Konvente ist Beichtvater der Domherrn und Dombenefiziaten, ein anderer versieht das gleiche Amt bei den Alumnen des Bischöflichen Seminars. Dass bei ihnen die Disziplin und das Studium der Theologie und der Philosophie blühen, geht daraus hervor, dass sie oft in ihrem Kloster öffentliche Disputationen veranstalten, die auch gedruckt werden. Sie werden aber ebenso zu anderen Disputationen zu deren Anfechtung an der Universität eingeladen.“
Licht und Schatten
Bei allem Lob und Erfolg hatten die Würzburger Franziskaner auch Herausforderungen zu bestehen. Zwei Mal wäre das Kloster fast ausgestorben: Ende des 16. Jahrhunderts leben zeitweilig nur noch zwei Brüder im Konvent, und noch dramatischer ist die Situation im Umfeld der Säkularisation. Nach einigen Jahren als „Aussterbekloster“ erlangt man zwar 1840 die Genehmigung zum Wiederaufleben des Klosters, dort leben aber nur noch der 88-jährige Guardian und ein 62-jähriger Mitbruder. Unterstützung wird dann aus Italien geholt: Drei deutschsprachige Südtiroler Brüder siedeln nach Unterfranken um – gerade noch rechtzeitig, denn bei ihrer Ankunft liegt der Guardian bereits auf dem Totenbett und der andere deutsche Bruder verstirbt bereits zweieinhalb Jahre später.
Die Bombardierungen Würzburgs am 3. März und am 16. März 1945 zerstören Kloster und Kirche und hätten beinahe auch einer großen Zahl von Konventsmitgliedern das Leben gekostet. Umso erstaunlicher, wie rasch nach dem Krieg die Gebäude wieder aufgebaut und mit neuem Leben gefüllt werden.
Die jüngere Geschichte war nicht nur vom Publikwerden von Missbrauchsfällen geprägt, derer sich auch ein ehemaliges Konventsmitglied des Würzburger Klosters schuldig gemacht hat, sondern auch von einer umfassenden Sanierung des Klostergebäudes und einer besseren Nutzung des Geländes durch Vermietungen – nicht zuletzt durch den Bau der Erweiterung des Hotel Rebstock. Die Gemeinschaft hofft so, die strukturellen Voraussetzungen für die Zukunft vor Ort geschaffen zu haben.
Hoffnungsvoll in die Zukunft
Zum Würzburger Minoritenkonvent gehören derzeit knapp 15 Brüder aus mehreren Nationen. Damit ist das Würzburger Kloster das personell größte innerhalb der 40-köpfigen Ordensprovinz mit insgesamt sechs Niederlassungen in Deutschland. Tätigkeitsschwerpunkt der Würzburger Brüder ist die Seelsorge an der Franziskanerkirche: Hier stehen vor allem Gottesdienste sowie die Beicht- und Gesprächsseelsorge auf dem Programm. An der Klosterpforte erhalten Bedürftige eine Brotzeit – die „Würzburger Straßenambulanz“, gegründet 2003, ist mittlerweile in der Stadt eine bekannte Institution der tätigen Nächstenliebe. Ein Bruder der Gemeinschaft arbeitet als Seelsorger an der Würzburger Uni-Klinik; darüber hinaus übernehmen die Brüder Aushilfen in Pfarreien und Schwesterngemeinschaften und halten Exerzitienkurse im gesamten Bundesgebiet.
Jubiläum mit Hindernissen
Die 800 Jahre, auf die das Würzburger Kloster 2021 zurückblicken kann, sind durchaus eine historische Leistung – zumal der Konvent der einzige nördlich der Alpen ist, der über acht Jahrhunderte hindurch ununterbrochen besiedelt war. So wurde schon vor mehreren Jahren beschlossen, dieses Jubiläum auch im größeren Rahmen zu feiern – bis dann die nach wie vor anhaltende Corona-Pandemie den Planungen einen Strich durch die Rechnung machte. Trotzdem hat die franziskanische Flexibilität dafür gesorgt, dass ein Weg gefunden wurde, zumindest in kleinerem Rahmen ein wenig zu feiern: Ein Teil des Festes wurde ins Freie verlegt – und zwar auf den „Wöllrieder Hof“ am Stadtrand von Würzburg. Die ersten Minderbrüder waren dort mitverantwortlich für die Versorgung der Aussätzigen. Der Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, Christian Schuchardt, ließ es sich nicht nehmen, den Brüdern kurz zu begegnen. Er überbrachte die Glückwünsche der Stadt und verwies auf die Bedeutung des Klosters für das städtische Leben. Er griff ein Wort auf, das er schon öfters verwendet hat, um die seelsorgliche Arbeit der Brüder zu würdigen, und bezeichnete das Kloster wieder als „Beichtstuhl Würzburgs“.
Prozession durch die Stadt
Vom Wöllrieder Hof machten sich dann die Brüder, begleitet von Bischof Dr. Franz Jung und vier Franziskanerinnen aus Oberzell, in Richtung Stadt auf. Unterwegs gab es noch ein kleines Spiel zu „Meilensteinen“ der Geschichte unserer Gemeinschaft in Würzburg. Viele Anwohner waren angesichts der „Prozession“ erstaunt. Etliche grüßten freundlich „Grüß Gott!“, eine Dame spendierte spontan ein Eis und eine Bewohnerin eines Pflegeheims, seit Jahrzehnten mit den Brüdern eng verbunden, schaute vom Balkon aus zu, als die Brüder am Heim vorbeiliefen.
Im Kloster angekommen, wurde das Grußwort unseres Generalministers Br. Carlos A. Trovarelli verlesen, der eigentlich geplant hatte, zum Jubiläum zu kommen – ein Besuch, der angesichts der Pandemie im Herbst oder nächstes Jahr nachgeholt werden soll. Br. Carlos schrieb unter anderem: „Die Brüder in Deutschland haben sich in den letzten 800 Jahren mehrfach auf den Weg gemacht. Die Provinz hat Höhen und Tiefen erlebt. Sie hat es aber immer wieder geschafft, neu anzufangen. Ein Neubeginn ist jedoch nicht an persönliche Daten wie das Alter der Brüder oder die Größe einer Provinz gebunden, sondern an das Vertrauen in die Treue Gottes und an unsere tiefen Überzeugungen. Ein gutes Beispiel ist die jüngste Eröffnung des Klosters auf Lage in Rieste in der Diözese Osnabrück. Das zeigt, dass ihr Glaubende seid: Menschen, die fähig sind, gemeinsam mit anderen etwas Neues zu beginnen. … Die Welt hat sich verändert und ist dauernd in Bewegung. Auch an alten Standorten wie Würzburg und in ganz Deutschland können neue Dinge entstehen. Wir dürfen uns nicht nur auf uns selbst konzentrieren, sondern müssen eine gläubige, treuherzige und in die Zukunft blickende Haltung einnehmen.“
Stärkung und Dankgottesdienst
Nach dem Spaziergang durch die Stadt konnte GuardianBr. Adam Kalinowski die Brüder im Refektorium des Klosters willkommen heißen, wo es unter anderem eine Jubiläumstorte gab. Um 17:30 Uhr wurde dann schließlich ein Festgottesdienst in der Franziskanerkirche gefeiert, dem Bischof Franz vorstand. Br. Adam begrüßte neben den Mitfeiernden besonders ihn in der Mitte der Brüder und betonte: „Die Würzburger Bischöfe halten die Franziskaner-Minoriten seit acht Jahrhunderten im Schatten ihres Domes und ihrer Residenz nicht nur aus, sondern haben uns immer ihren Schutz und Segen gewährt und darüber hinaus viel Freiheit gelassen. Dafür sind wir Ihnen und Ihren Vorgängern tief und echt dankbar.“
Ad multos annos...
Zu Beginn seiner sehr fundierten und franziskanisch geprägten Predigt gratulierte der Würzburger Bischof der Gemeinschaft für die erfüllte Geschichte der Gemeinschaft in Würzburg und zog entlang der Chronik des Jordan von Giano mit dem Bericht der Ankunft der ersten Brüder in Deutschland einige Schlussfolgerungen für das franziskanische Leben heute. So wünschte er den Brüdern unter anderem: „Die Sprache der Menschen zu sprechen und sie damit anzusprechen und sich verständlich zu machen. Und zweitens, das beherzte Nein all dem entgegenzusetzen, was die evangeliumsgemäße Lebensform verunklart und verwässert.“ Er ermutigte die Brüder außerdem, nicht zu resignieren und sich von falschen Ängsten leiten zu lassen, sondern mit Gottvertrauen neue Dinge zu wagen. Auch der erste Missionsversuch der Minderbrüder 1219 sei ja nicht auf Anhieb von Erfolg gekrönt gewesen: „Ein erster Fehlschlag sollte nicht zur Resignation Anlass geben. Wir leben in einer Zeit, in der oft nur die Methode ‚trial and error‘ weiterhilft und Experimentierfreude gefragt ist. Das verlangt, sich auszusetzen, sich gegebenenfalls auch lächerlich zu machen. Aber ein erster Fehlschlag sollte nicht dazu verleiten, die Flinte gleich ins Korn zu werfen. Die richtige Mannschaft, der rechte Zeitpunkt und das Feuer des heiligen Franziskus helfen weiter.“ Und er schloss schließlich mit den Worten: „Auf noch viele segensreiche und gesegnete Jahre hier in Würzburg!“
Musikalisch umrahmt wurde die Feier von unserem Organisten Peter Ries, der seit Jahrzehnten mit unserer Gemeinschaft verbunden ist, und einer Schola mit drei Würzburger Brüdern: Br. Maximilian M. Bauer, Br. Josef Fischer und Br. Leopold Mader.
Nach dem Gottesdienst schloss der Festtag mit einem entspannten Grillabend. Provinzvikar Br. Mateusz Kotyło stand hinter dem Grill und Br. Tobias Matheis servierte selbstgebrautes Jubiläumsbier.
Das Fazit der Brüder: Es lässt sich auch inmitten der Pandemie eine Form finden, wie man würdig feiern kann. Und das große Fest soll am Pfingstmontag 2022 in der ursprünglich geplanten Form nachgeholt werden…