Franziskanische Spuren auf Schritt und Tritt

22. November 2021 | von

Auf den fünf Etappen durch das Friaul, von Gemona bis Sacile, zeigt sich der Antoniusweg als Weg des Glaubens und der Stille, der Natur und der Verehrung, reich an tausendjähriger Geschichte, deren Spuren überall zu entdecken sind, vor allem an den unscheinbaren Orten am Rande des Weges des Wanderers.

Unter den Füßen die harten Steine des trockenen Flussbettes, vor sich die atemberaubende Kulisse der sich mächtig und eindringlich vor dem blauen Himmel abzeichnenden Berge: Es ist August. Die Pilger begehen die letzte Etappe des Antoniusweges. Sie folgen den Schildern mit der weißen Lilie auf gelbem Grund. Wir befinden uns mit ihnen auf der „letzten Meile“, der Strecke, die von Gemona (Udine), dem nördlichsten Punkt des Weges, bis nach Padua führt. Es ist eine Gegend, in der man seit jeher daran gewöhnt ist, über den eigenen Tellerrand zu schauen, über die eigenen Grenzen hinweg zu blicken, in den Dialog einzutreten, auch im Bewusstsein einer niemals einfachen Geschichte. Die Wanderer, teils Pilger, teils Urlauber, lassen sich Informationen geben: Sie hatten beschlossen, diese Reise anzutreten, sobald sie von diesem neuen Pilgerweg erfahren haben.

Erzählte Geschichte

Die fünf Etappen im Friaul (von jeweils 18 bis 28 Kilometer Länge) weben ein Netz des Glaubens und der Stille, voller Natur und Verehrung, inmitten der tausendjährigen Geschichte, der man hier überall begegnet. Vor allem an den einfachen, gewöhnlichen Orten am Rand der Wege der Wanderer. Es ist die Geschichte des Glaubens, die von den von der Zeit geschliffenen Steinen, den fast versteckten Fresken eines winzigen „Hospitals“ und von einer Natur, die still die Schönheit der Schöpfung preist, erzählt wird.

Lebendige Tradition

Die Geschichte des Antonius im Friaul wird seit Jahrhunderten geschrieben. Hier ist die franziskanische Präsenz tief verwurzelt und seit langem gefestigt. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Aufeinanderfolgen von Schritten, Orten und Stille, zwischen Wasser und Himmel, unserem Heiligen wirklich gut gefallen hatte. 

Flavia Virilli, die Kulturbeauftragte von Gemona, ist überzeugt: „Auf den Spuren des heiligen Antonius zu wandern, durch Gegenden, die so voller Geschichte und Schönheit sind, ist eine einzigartige Gelegenheit für das persönliche und spirituelle Wachstum aller Wanderer, ob Pilger oder Touristen, die sich darauf einlassen möchten, aber auch für die Orte, durch die der Weg führt.“ Es sind insgesamt fünf Orte, die der Antoniusweg von Gemona bis Sacile passiert: Gemona – Majano; Majano – Sequals; Sequals – Montereale Valcellina; Montereale Valcellina – Polcenigo; Polcenigo – Sacile. Zu den Orten, die eine lange franziskanische Geschichte aufweisen können, gehört der ehemalige Konvent von San Giacomo in Polcenigo; es ist der älteste Konvent der Diözese Concordia Sagittaria und der zweitälteste der gesamten Region Friaul. Erstmals erwähnt wurde er im Jahr  1262, als der Adelige Guecello da Prata in seinem Testament auch hundert Taler für die fratribus minoribus de Pulcinisco vorsieht. „Die Kirche gab es schon, als die Minderbrüder hier ankamen. Eingeladen wurden sie – so liest man es in der Chronik der Gemeinde – wohl von den Domini (den Herren) Polcenigo, die den Bau des Klosters finanzierten. Seit Ende des 13. Jahrhunderts berichten die Quellen von einer großen Lebendigkeit des Konvents und der nahe gelegenen Kirche.“ Spuren davon sieht man noch heute, auf einer antiken Wandmalerei aus dem Jahr 1402 und einem Porträt eines Bruders auf einem hölzernen Fries (Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts). Seit 2016 wurde die antike franziskanische Tradition durch die Ankunft der franziskanischen Elisabeth-Schwestern wiederbelebt.

Spirituelle Entdeckungen

Hier und überall ist der Antoniusweg eine spirituelle Erfahrung, die Entdeckung von wunderschönen Aussichtspunkten und Schätzen, die seit Jahrhunderten in den Kirchen, den Dörfern, Museen, an Orten des Glaubens und der Verehrung, an denen der heilige Antonius vorbeigekommen ist, aufbewahrt werden. Zeichen, die wir an bekannten Orten, aber vor allem auch an vielen versteckten Ecken finden können: entlang eines Weges am Waldrand, an einem Feldweg oder auf der Mauer eines antiken Gebäudes, die wie ein Eckstein die Straße einfasst.

Entlang der Straße, die sich an manchen Stellen mit der Romea Strata und dem Christophorus-Weg kreuzt, ist das Hospital von San Giovanni in Majano, das älteste „Pilgerhospital“ im Nordosten Italiens und das einzige, das im Friaul noch erhalten ist, sicherlich einen Halt wert. Heute dient es als Anlaufstelle für die Pilger. Gegründet wurde es Ende des 12. Jahrhunderts von den Johannes-Rittern aus Jerusalem (dem späteren Malteserorden) zur Zeit der Kreuzzüge und war eine wichtige Station auf der Romea Strata, auch Via Crescentina oder Via d’Allemagna  für Reisende, die von Norden kommend nach Venedig oder zu den Häfen an der Adria unterwegs waren. Auch Gemona, wo vor 800 Jahren, wohl noch vor der Antonius-Basilika in Padua, das weltweit erste, dem heiligen Antonius gewidmete Heiligtum errichtet wurde.

Botschaften auf Schritt und Tritt

Die Kulturbeauftragte Flavia Virilli bemerkt abschließend: „Als er in unserer Gegend unterwegs war, hat der heilige Antonius viele Erinnerungen hinterlassen, eine Spur, die sich im Lauf der Zeit in große Verehrung gewandelt hat, aus der viele ihm geweihte Kultstätten hervorgegangen sind. Ich bin mir sicher, dass der Heilige uns auf jedem Schritt etwas zu sagen hat. Ebenso wie auch die Landschaft, die Menschen und auch die Gerichte, die in der Erinnerung derjenigen bleiben, die sich auf diesen Weg begeben, der zu einer unvergesslichen Erfahrung wird, an die man sich gerne immer wieder erinnert und dabei immer wieder neu Schönheit und Spiritualität findet.“

Nur einen Schritt entfernt von dem, was Dante in dem 33. Gesang der Hölle in seiner Göttlichen Komödie als das unvergleichbare Voranschreiten der Minderbrüder beschreibt: zu Fuß, in Stille, in einer Reihe.  

 

Die erste Antonius-Kapelle...

Zuverlässigen historischen Daten zufolge stammt das ursprüngliche Heiligtum in Gemona, das um die kleine Kapelle im Auftrag des heiligen Antonius errichtet wurde, aus dem Jahr 1248. Zwischen 1232 und 1263 errichtete Padua eine erste Kirche zu Ehren des heiligen Antonius; zwischen 1265 und 1310 wurde die heutige Basilika gebaut. In Gemona wurde jedoch bereits am 15. März 1248 die Kirche der Minderbrüder zu Ehren des heiligen Antonius geweiht.  Es ist der erste Kapelle der Welt, die zu Ehren des Heiligen von Padua errichtet wurde.

Zuletzt aktualisiert: 22. November 2021
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