Maria Taferl in Österreich
Mit unserer Reihe zu berühmten Wallfahrtsorten kommen wir im Mai wieder nach Österreich. Ziel unserer Reise ist Maria Taferl – nach Mariazell der zweitgrößte Wallfahrtsort der Alpenrepublik. Tausende Menschen finden hier Jahr für Jahr Trost und Halt bei der Gottesmutter.
Weniger als 1.000 Einwohner zählt die niederösterreichische Gemeinde Maria Taferl – und dennoch ist der im Nibelungengau gelegene Ort zumindest unter Österreichs Katholiken bestens bekannt. Immerhin bis zu 300.000 Wallfahrerinnen und Pilger ziehen Jahr für Jahr hierhin in der Hoffnung auf Heilung und Erhörung.
Vom Bildstock zur Wallfahrtskirche
Thomas Pachmann und Alexander Schinagel haben so weit wahrscheinlich nicht gedacht, auch wenn jeder Besucher von Maria Taferl wohl ihre Namen zumindest im Rahmen einer Kirchenführung hört, sind sie doch untrennbar mit der Gründungslegende des Wallfahrtsortes verbunden.
Thomas Pachmann war Viehhirte. Am 14. Januar 1633 machte er sich auf die Suche nach Brennholz und fand eine ziemlich dürre Eiche. Schon hob er die Axt an, um den Baum zu fällen – doch die Axt glitt ab und verwundete ihn an den Beinen. Er hatte das Kreuz auf der anderen Seite des Baumes offensichtlich übersehen und war drauf und dran, einen heiligen Ort zu zerstören. Er bat Gott um Verzeihung, und auf wundersame Weise hörte die Wunde sofort auf zu bluten. Der erstaunte Viehhirte konnte sogar aus eigener Kraft nach Hause zurückkehren. Die Botschaft des Wunders verbreitete sich. Unter denen, die fortan „zum Taferl“ zogen, war auch Alexander Schingal – nach einigen Quellen ein Richter und Ortsvorsteher, andere machen ihn zum Förster. Er scheint depressiv gewesen zu sein und wollte sich möglicherweise sogar das Leben nehmen. Im Jahr 1642 bekam er eines Nachts von einer Stimme aufgetragen, das Vesperbild aus seinem Hausaltar zur Eiche zu bringen, um das alt gewordene Kreuz zu ersetzen. Nachdem er das getan hatte, wurde er nach und nach von seiner Schwermut geheilt. Zwei Wunder und mehrere Stern- und Lichterscheinungen in diesen Jahren: Grund genug, dass die einheimische Bevölkerung eine Kirche bauen wollte und schließlich auch die Genehmigung erhielt. Am 19. März 1660 wird der erste Gottesdienst am heiligen Ort gefeiert, die Kirche schließlich 1724 eingeweiht. Pest- und Kriegszeiten sowie finanzielle Schwierigkeiten hatten den Bau des Gotteshauses in die Länge gezogen.
Rekordzahlen und Wallfahrtsverbot
Dass sie heute neben dem 1947 verliehenen Titel „Basilica minor“ auch als Pfarrkirche bezeichnet wird, hat mit dem Josephinismus zu tun. Weil Kaiser Joseph II. (1741-1790) vor allem die Klöster größtenteils als „unnütz“ betrachtete, konnten nur solche Kirchen bestehen bleiben, die eine Bedeutung für das Pfarrleben hatten. So wurde die Wallfahrtskirche 1784 kurzerhand zur Pfarrkirche erhoben. Der Wallfahrtsbetrieb jedoch musste eingestellt werden. Dass damit blühendes religiöses Leben einfach platt gemacht wurde, zeigt ein Blick ein paar Jahre zurück auf die Hundertjahrfeier der Grundsteinlegung: Anlässlich der Feierlichkeiten im Jahr 1760 war Maria Taferl das Ziel von 700 Prozessionen. Sage und schreibe 19.000 Gottesdienste wurden gefeiert. Zeitweise standen 25 Priester gleichzeitig als Seelsorger zur Verfügung. Doch dauerhaft ließ sich die Sehnsucht der Gläubigen nicht unterdrücken. Mit der Wiedererlaubnis des Wallfahrtsbetriebs kehrten auch die Pilgernden zurück nach Maria Taferl. Seit 1969 werden sie von Patres der „Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria“ (OMI) begrüßt, denen die Pilgerseelsorge anvertraut ist. Nach mehreren Renovierungen in den letzten Jahrzehnten präsentiert sich die frühbarocke Wallfahrtskirche nun von ihrer besten Seite. Die Schatzkammer beherbergt die zahllosen Votivgaben, und der öffentlich zugängliche Klostergarten bietet einen herrlichen Blick auf die Donau und die Alpen.