Die Hochzeit von Auschwitz
In den vergangenen Monaten war in der Wienbibliothek in Österreichs Hauptstadt eine Ausstellung über die „Hochzeit von Auschwitz“ zu sehen. Dieses einmalige und höchst ungewöhnliche Ereignis inmitten der Todesmaschinerie ist alle Erinnerung wert.
Mit seinem Buch „Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit“ (Zürich, 2002) hat der österreichische Schriftsteller Erich Hackl dieses bizarre Ereignis bereits vor 20 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht – wenn auch in einer literarischen Verarbeitung. Albert Lichtblau, Barbara Staudinger und Hannes Sulzenbacher haben nun mit Unterstützung des Enkels, dem in Südfrankreich lebenden Rudolphe Friemel, Fotos und Dokumente zusammengetragen und sie zu einer kleinen Ausstellung zusammengefügt, die bis vor kurzem im Wiener Rathaus gezeigt wurde.
Freiheitsliebe und Gefangenschaft
Rudolf „Rudi“ Friemel wird am 11. Mai 1907 in Wien geboren. Früh bringen den gelernten Kraftfahrzeugmechaniker seine politischen Ansichten in Schwierigkeiten. Als Gewerkschaftsmitglied und Anhänger der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei nimmt er als Kämpfer des „Republikanischen Schutzbundes“ an einem bewaffneten Aufstand gegen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß teil. In der Folge muss er für einige Monate ins Ausland fliehen und wird unmittelbar nach seiner Rückkehr verhaftet und schließlich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Im Juli 1936 wird er begnadigt und aus dem Zuchthaus Stein entlassen. Anfang des Jahres 1937 wandert er nach Frankreich und schließlich Spanien aus. Dort kämpft er im Bürgerkrieg gegen die Errichtung einer faschistischen Diktatur – erfolglos, so dass er bald nach Frankreich zurückkehrt. Während seine Bemühungen um Freiheit und seine zunehmend kommunistischen Ansichten nicht von Erfolg gekrönt sind, findet er privates Glück: In Frankreich lernt er die Spanierin Margarita Ferrer Rey kennen, die ihm am 26. April 1941 einen Sohn, Edouard, gebiert. Als Frankreich von Hitler-Deutschland besetzt wird, stellt Rudolf Friemel einen Antrag auf „Rückführung“ nach Österreich. Die Rückführung führt aber schließlich zu einer erneuten Verhaftung, und als Gestapo-Häftling wird er am 2. Januar 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert.
Widerstand und Hochzeit
Auch im KZ bleibt Rudolf Friemel seinen politischen Überzeugungen treu. Als sich „seine“ österreichische Widerstandsgruppe mit der polnischen Gruppe des Lagerwiderstands zusammenschließt, wird er Teil der „Kampfgruppe Auschwitz“. Zu ihr gehörten viele sogenannte Funktionshäftlinge. Auch Rudolf Friemel war ein solcher und konnte mit seinen Diensten in der Häftlingsselbstverwaltung an der ein oder anderen Stelle kranke und vom Tod bedrohte Mithäftlinge unterstützen. Das große Ziel war freilich ein – unerreichter – bewaffneter Lageraufstand.
Einem anderen Ziel kommt Rudolf Friemel überraschenderweise näher. Seine erste Ehe mit der Wienerin Pauline Fucka war geschieden worden – und seine Beziehung mit der in Frankreich kennengelernten Margarita in Österreich zivilrechtlich noch nicht anerkannt. Er bemüht sich darum, sie nach deutschem Recht heiraten zu dürfen. Hermann Langbein (1912-1995), KZ-Überlebender, berichtet von diesem Heiratswunsch: „Ein entsprechendes Gesuch landete schließlich auf dem Schreibtisch Himmlers. Himmler entschied das Gesuch positiv. Vater, Frau und der kleine Sohn erhielten die Erlaubnis, nach Auschwitz zu kommen, Rudi durfte sich die Haare wachsen lassen. In Zivilkleidern ging er am 18. März 1944 zum Standesamt von Auschwitz, wo sonst ausschließlich Todesbescheinigungen ausgestellt wurden, und die Ehe wurde nochmals nach deutschem Recht geschlossen. Da Himmler persönlich die Erlaubnis erteilt hatte, räumte die Lagerführung Friemel ungewöhnliche Rechte ein: Im Erkennungsdienst, wo sonst nur Aufnahmen gemacht wurden, die Verbrecheralben füllen, ist ein richtiges Hochzeitsbild aufgenommen worden. Im Bordell des Lagers wurde dem Paar für eine Nacht ein Zimmer zur Verfügung gestellt.“
Fluchtversuch und Galgen
Doch das unerwartete Glück ist nur von kurzer Dauer. Die „Kampfgruppe Auschwitz“ plant, die Befreiung des Konzen-trationslagers von außen zu koordinieren und versucht deshalb, einigen ihrer Mitglieder die Flucht aus dem KZ zu ermöglichen. Zwei SS-Männer werden bestochen, um die Flucht auf einem Lastwagen zu ermöglichen – aber einer von ihnen verrät die Fluchtwilligen. Rudolf Friemel wird als Mitglied der „Verschwörer“ im Bunker inhaftiert und am 30. Dezember 1944 wegen „Fluchtbegünstigung“ auf dem Appellplatz des Stammlagers im Beisein von 15.000 Häftlingen gemeinsam mit vier weiteren Mitgliedern der Kampfgruppe gehängt. „Nieder mit der braunen Mordpest!“ soll er kurz vor seinem Tod ausgerufen haben. In seinem letzten Brief, der in einer Abschrift in seinem Nachlass erhalten ist, schreibt er: „Ich habe meine Aufgabe vollständig beendet, ich sterbe standhaft für meine heilige Sache. Die wird siegen, weil sie die Idee der Menschheit ist und deren Fortschritt.“ – Am 27. Januar 1945 wird das Konzentrationslager Auschwitz von russischen Soldaten befreit.
Worte an meinen Sohn, vielleicht meine letzten:
Eduardo, mein Sohn,
du bist jung und weißt noch nichts
vom Elend des Lebens.
So bist du glücklich.
Aber das Glück hält nicht lange an.
Und das Leben fordert deine Kraft,
deinen Geist und vielleicht das Letzte.
Denk immer an deine Mutter.
An diese unvergleichliche Frau,
tapfer und glücklos.
Nimm sie in deine Arme
und mach ihr nie Kummer.
Denk ewig an sie.
Das ist, was sie wegen dir und wegen mir
verdient hat.
Bleib aufrecht in allen Schwierigkeiten.
Sei ein guter Mensch.
Folge dem Weg
deines Vaters
Mit jeder Faser deines Willens.
Fest und kompromisslos.
Kämpfe, wie dein Vater gekämpft hat.
Für unsere Idee
und den Fortschritt der Menschheit.
Dieser Weg ist hart:
Aber das Ziel lohnt den Einsatz
des Menschen, der du sein musst.
Dein Vater.