Ein geglückter Start

13. Februar 2023 | von

Unsere neue Antonius-Serie nimmt das Leben des heiligen Antonius von Padua in den Blick. Seine verschiedenen Lebensphasen zeichnen sich aus durch bestimmte Charakteristika, Einstellungen und Gegebenheiten. Diese lassen sich in Bezug setzen zu unserem heutigen, ganz alltäglichen Leben.

Vor wenigen Wochen veröffentlichte der englische Prinz Harry seine Memoiren. Der Titel der deutschen Übersetzung – „Reserve“ – lässt schon vermuten, dass der 38-jährige Adelige nicht nur einen positiven Blick auf sein Leben hat. Als Ghostwriter hat er sich jemanden gesucht, der spezialisiert ist auf Vater-Sohn-Konflikte. Und so kommen nicht nur die Auseinandersetzungen mit dem englischen König und Prinz Harrys Vater, Charles, zur Sprache, sondern auch die Differenzen mit seinem Bruder William. Er schreibt von seinen ersten sexuellen Erfahrungen und von 25 Taliban-Kämpfern, die er während seiner militärischen Laufbahn umgebracht haben will. Und immer im Hintergrund steht wohl der tragische Tod seiner Mutter Diana, den der damals 12-jährigen Harry vielleicht bis heute nicht wirklich verarbeiten konnte. Die Medien greifen sämtliche Details auf, fabrizieren daraus marktschreierische Beiträge mit großen Überschriften und haben für Harry, der an seiner Autobiografie ordentlich verdienen dürfte, letztlich nur Spott übrig: Wenig schmeichelhafte Bezeichnungen wie „nachtragendes Riesenbaby“ muss sich der mittlerweile in den USA lebende Herzog von Sussex nun gefallen lassen.

Wie auch immer man nun zu den Memoiren steht und unabhängig davon, ob man sie überhaupt lesen wird: Man wird dem Prinzen – bei allen Privilegien, die er im Lauf seines Lebens als Mitglied eines Königshauses auch genossen haben mag – doch wünschen, er hätte einen glücklicheren Start ins Leben, eine schönere Kindheit und Jugend gehabt.

Ein glücklicher Sohn für die Welt

Ganz anders scheint es da dem heiligen Antonius ergangen zu sein. Er hat zwar keine Autobiografie hinterlassen, doch nicht zuletzt gibt uns die Biografie „Assidua“ zahlreiche Einblicke in sein Leben, freilich weitaus weniger skandalträchtig.

Seinen biografischen Bericht beginnt der Autor mit einer kurzen Schilderung der portugiesischen Stadt Lissabon. Und rasch kommt er auf eine der Gottesmutter Maria geweihte Kirche zu sprechen. Darauf folgt dann ein summarischer Bericht zur Kindheit des damals noch Fernando heißenden Jungen: „Gegenüber der Westseite dieses Gotteshauses besaßen die glücklichen Eltern des Antonius eine ihrer Stellung würdige Wohnung, deren Tür sich ganz in der Nähe des Eingangs der Kirche befand. Sie waren noch in der Blüte ihrer Jugendzeit, als sie der Welt diesen glücklichen Sohn gebaren. Bei der heiligen Taufe gaben sie ihm den Namen Fernando. Und es war eben diese Kirche, der heiligen Gottesmutter geweiht, der sie ihren Sohn anvertrauten, um die Heilige Schrift kennen zu lernen. Und sie beauftragten – wie von einer Vorahnung geleitet – die Diener Christi mit der Erziehung des künftigen Boten Christi.“

Entscheidung für den Glauben

Nun wird man bei Heiligenbiografien gewiss einige legendarische Abstriche machen müssen. Oft erscheinen solche Texte geglättet und vor allem dazu geschrieben, ein möglichst strahlendes Bild eines Menschen zu zeichnen. Und trotzdem kann man sich wohl, vielleicht auch aufgrund eigener Sehnsucht, ganz gut vorstellen, wie geborgen die Kindheit des jungen Fernando gewesen sein mag. Die Taufe ist ein selbstverständliches Ereignis und bildet die Grundlage für die weitere religiöse Entwicklung des jungen Portugiesen. Die Eltern vergewissern sich der Zuneigung Gottes für ihren Sohn und entscheiden stellvertretend, dass er im christlichen Glauben aufwachsen darf. So ist es dann wohl nur folgerichtig, dass er die damals etablierte und bei der Kirche eingerichtete Schule besucht. Vielleicht wird hier mit einer frühen Heranführung an die Heilige Schrift bereits die Grundlage für seine spätere umfassende Bibelkenntnis gelegt.

Glückliche Jahre

Ohne weitere Details über das Aufwachsen des jungen Fernando zu berichten, schließt der Verfasser der „Assidua“ dann die ersten Jahre ab: „Nachdem er die heiteren Jahre seiner Kindheit in der Familie verbracht hatte, vollendete Fernando glücklich sein 15. Lebensjahr.“

Ganz bestimmt werden in dieser Zeit auch Schwierigkeiten zu bewältigen gewesen sein. Schwer vorstellbar, dass das Teenagersein vor 800 Jahren so ganz ohne Herausforderungen gewesen sein mag. Bestimmt gab es den ein oder anderen Streit mit den Eltern, Lustlosigkeiten beim Lernen oder Auseinandersetzungen mit Freunden. Und trotzdem kann das ehrliche Fazit wohl sein: Er hatte eine glückliche Kindheit. Fernando dürfte wohl erlebt haben, was der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther in unseren Tagen so zusammenfasst: „Ein Kind muss spüren, dass es so, wie es ist, richtig ist. Dass es um seiner selbst willen und bedingungslos geliebt wird. Das ist die wichtigste Erfahrung, die jedes Kind braucht.“ Und damit ist die Basis geschaffen für das ganze weitere Leben.

Alles andere als selbstverständlich

Dass eine solche Basis heute keineswegs selbstverständlich ist, zeigt beispielsweise auch die AOK-Familienstudie 2022. Sie spricht von „zunehmenden Belastungen im Familienleben“. Von den 8.500 in Deutschland befragten Eltern fühlten sich nur 61 Prozent – 2018 waren es noch 70 Prozent – „selten oder nie psychisch belastet“. 15 Prozent der Eltern geben an, „häufig bis immer seelisch angeschlagen“ zu sein. Mit den psychischen Belastungen und partnerschaftlichen Problemen gehen immer häufiger finanzielle Sorgen einher. Besonders Alleinerziehende haben „mit 55 Prozent eine starke bis sehr starke finanzielle Belastung.“ Dass die gegenwärtige Lage der Welt sich da nicht positiv auswirkt, versteht sich von selbst: „30 Prozent der Eltern machen sich bezüglich der derzeitigen Krisen, wie zum Beispiel der Corona- Pandemie, des Klimawandels und des Kriegs in der Ukraine, starke bis sehr starke Sorgen.“

All das geht an den Kindern nicht spurlos vorbei. Eine glückliche Kindheit ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit, vor allem dann nicht, wenn obendrein Gewalt ins Spiel kommt. Der österreichische „Gewaltbericht“ zur Gewalt gegen Kinder stammt zwar bereits aus dem Jahr 2001 und greift auf noch ältere Studien zurück. Doch grundsätzlich dürften ähnliche Probleme noch immer bestehen. Trotz zahlreicher Verbesserungen zum Schutz der Kinder wird festgestellt: „Dennoch ist das Ausmaß an physischer, psychischer und sexueller Gewalt nach wie vor beträchtlich. Zum Beispiel wird anhand einer im Jahr 1991 durchgeführten Studie über familiäre Gewalt gegen Kinder in Österreich festgestellt, dass der überwiegende Teil der Eltern psychische und körperliche Gewalt gegen ihre Kinder als Erziehungsmaßnahme ausüben und ca. 30 Prozent, d.h. beinahe ein Drittel aller befragten Eltern, ihren Kindern gegenüber schwere physische Gewalt anwendeten.“

Geborgenheit, die bleibt

Umso mehr kann wohl der Mensch sich glücklich und dankbar schätzen, der auf eine glückliche Kindheit zurückblicken darf – oder eine solche gerade durchlebt – oder sie anderen Menschen ermöglicht, sei es in der Eltern- oder Großelternrolle, sei es mit einer Erziehungsaufgabe oder einem sonstigen Dienst für Kinder.

Der heilige Antonius steht mit seiner Biografie dafür Pate, wie auf einem guten Fundament Leben zum Blühen kommen kann, selbst wenn wir aus seiner Kindheit nur wenige Sätze überliefert bekommen haben. Die Geborgenheit der ersten Lebensjahre kann einem niemand mehr nehmen. Umso wichtiger, dass möglichst alle Kinder einen solchen Start ins Leben bekommen, und wir alles dafür tun, dass dem so ist.

 

Zuletzt aktualisiert: 13. Februar 2023
Kommentar