Patenschaften retten Bücher

17. April 2023 | von

Die deutschen Franziskaner-Minoriten haben für ihre Schweizer Mitbrüder eine Buchpatenschaft übernommen. Die Archivarin des Konvents Freiburg erläutert die Restaurierung dreier mittelalterlicher Handschriften – und gibt einen Einblick in die wertvollen Kulturgüter eines traditionsreichen Klosters.

Das Franziskanerkloster Freiburg gehört zur Kustodie Österreich-Schweiz der Deutschen Ordensprovinz St. Elisabeth. Es versteht sich, dass ab und zu der Provinzialminister dem Schweizer Kloster einen Besuch abstattet und Anteil nimmt an dessen Unternehmungen. Nach einer solchen Visite war es eine große und sehr willkommene Überraschung, dass das Definitorium der Provinz St. Elisabeth in seiner Sitzung vom 29. März 2019 beschlossen hatte, die Restaurierung eines Buches der Alten Bibliothek des Konvents in Freiburg zu übernehmen. Glücklicherweise konnte mit dem zur Verfügung gestellten Betrag von 5.500 Euro nicht nur ein Band, sondern sogar drei Bände restauriert werden (zumal der Kurswert des Euro damals noch vorteilhafter war). Hier also ein kurzer Bericht zu den Hintergründen dieser Spende.

Kantonal geschützte Werke

Das Franziskanerkloster Freiburg besitzt eine bedeutende Bibliothek mit 82 mittelalterlichen Handschriften und 143 Früh-drucken (1450-1500), die stets im Besitz des Konvents geblieben sind. Diese bedeutende Sammlung steht unter dem Schutz des Kantons und ist in das Verzeichnis der Kulturgüter von nationaler Bedeutung der Schweiz eingetragen. Die gute Erhaltung dieses Kulturerbes ist eine wichtige Aufgabe, ebenso das Bemühen, die Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eigene Restaurierungswerkstatt

Seit 1980 unterhält der Konvent Freiburg eine eigene Restaurierungswerkstatt für mittelalterliche Handschriften. Sie geht zurück auf P. Otho Raymann († 2010), der sie nach seiner Ausbildung zum Buchrestaurator im Istituto centrale per la patalogia del libro (Rom) eröffnete. Heute wird diese Werkstatt von Carole Jeanneret weitergeführt, die seit 2020 mit einer Anstellung von 40% als Restauratorin im Franziskanerkloster tätig ist. Der Unterhalt einer eigenen Restaurierungswerkstatt ist eine Herausforderung. Das Kloster sucht daher Paten und Patinnen, die für eine oder mehrere Handschriften die Kosten für die Konservierung oder Restaurierung übernehmen. Buchpaten und -patinnen werden in den Kreis der Wohltäter aufgenommen und ihre Spende auf einem Blatt verzeichnet, das in die Buchschachtel geklebt wird. Dieses Projekt wurde dem damaligen Provinzialminister Br. Bernhardin Seither vorgestellt, als er 2019 Freiburg besuchte. Ein paar Wochen später kam die gute Nachricht, dass sich die Deutsche Provinz an den Kosten für die Restaurierungen beteiligen wird.

Drei restaurierte Manuskripte

Im Folgenden sollen die drei Manuskript-Bände kurz vorgestellt werden, die mit dem Beitrag der Deutschen Provinz restauriert wurden. Für die Beschreibung konnte die Autorin auf Texte zurückgreifen, die Dr. Mikkel Mangold aus Basel und Dr. Dörthe Führer aus Zürich für den „Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Franziskanerklosters Freiburg“ verfasst haben. Für Angaben zur Handschrift Ms 54 stellte Dörthe Führer den Vortrag zur Verfügung, den sie im Juni 2021 für den Deutschen Geschichtsforschenden Verein des Kantons Freiburg gehalten hat. Beiden sei für die großzügige Überlassung ihrer Forschungsergebnisse herzlich gedankt.

Ms 6, restauriert in der Restaurierungswerkstatt des Franziskanerklosters von Januar bis Februar 2021 für CHF 2.147,00. Publiziert auf der Plattform e-codices.

Antiphonarium diurnum Fratrum minorum secundum consuetudinem Romanae Curiae. Gemäß dem Schreiber- bzw. Kaufvermerk von 1488 wurde das Antiphonar (liturgisches Buch für die gesungenen Teile des Stundengebets) vom Franziskaner Heinrich Kurtz geschrieben, der seit 1481 im Freiburger Konvent belegt ist. Erworben und wohl in Auftrag gegeben hat das Buch der Franziskaner Rudolf (oder Rolet) Stoss, ein bekannter Buchbinder im Freiburger Konvent. Es enthält 220 recht große Pergamentblätter von 36 x 28 cm. Der ursprüngliche Einband ist nicht erhalten, heute wird das Buch von zwei mit hellem Leder bezogenen Holzdeckeln aus dem 16./17. Jahrhundert geschützt. Der Text ist in zwei Spalten angeordnet, die Melodie wurde auf vier roten Linien notiert. Es ist eine der schönsten Handschriften der Bibliothek. Die illuminierten Initialen stammen von der Hand des Meisters des Breviers des Jost von Silenen (Silenen-Meister) bzw. des Miniaturisten des Georges de Challant. Farblich abgesetzte Zierbuchstaben in Rot oder Blau, die sogenannten Lombarden, markieren Satzanfänge oder neue Abschnitte. Sie sind umgeben von schwarzem bzw. rotem Fleuron (Ornamente mit Blattranken). Auf den Blatträndern sieht man Federzeichnungen (Drolerien), die Eulen, Falken, Störche, Hunde, Katzen und Hasen abbilden. Auf Blatt 80 verso jagt ein Hund einen Wolpertinger, wohl eine der frühesten Darstellungen dieses Fabelwesens. Die Restauratorin musste im Manuskript 6 typische Beschädigungen reparieren wie Fehlstellen im Einband, verschmutzte Pergamentblätter reinigen und Risse schließen.

Ms 54, restauriert in der Restaurierungswerkstatt des Franziskanerklosters im September 2020 für CHF 3.171,00.

Sammelhandschrift, die sich aus 10 unterschiedlichen Teilen zusammensetzt. Die Teile 6-8 können auf 1462 datiert werden. Die anderen Teile – ausgenommen wenige Blätter – wurden 1460 bis 1465 vom Franziskaner Jean Joly geschrieben. Dieser gehört zu den bekanntesten Guardianen des Freiburger Konvents (* 1440, † 1510), der in seinem Kloster eine Buchbindewerkstatt einrichtete und 1479/1480 das Retabel der Nelkenmeister in Auftrag gab. Die Handschrift 54 umfasst 292 Blätter aus Papier (21 x 15 cm). Die ursprünglich separat entstandenen zehn Hefte wurden im Konvent Freiburg zu einem Band zusammengebunden. Noch im 15. Jahrhundert entstand der Einband. Mit braunem Leder bezogene Holzdeckel aus der Werkstatt des Rolet Stoss wurden mit einer Kettenklammer versehen, um das Buch an einem Pult zu befestigten und so vor Diebstahl zu schützen. Die vielen „Kettenbände“ in der Bibliothek lassen vermuten, dass die Bibliothek nicht nur Konventsangehörigen zugänglich war. Jean Joly hat diesen eher kleinformatigen Band im Laufe seines Studiums selbst zusammengestellt und zwar gegen 1460, also im Alter von etwa 20 Jahren. Es ist eine Art Taschenbibliothek, die fast alle Bereiche der mittelalterlichen Bildung abdeckt, wie Schulgrammatik, Komputistik (Berechnung des Ostertermins), Medizin, Philosophie und Rechtswissenschaft, Predigten und Benediktionsformeln. Die Restaurierung von Ms 54 war zeitaufwendig und vergleichsweise teuer. Der Einband war schwer beschädigt und das Papier stark angegriffen. Schrift wie Federzeichnungen im Text sind wie üblich mit Eisengallustinte ausgeführt. Die Säure der Tinte, die jeweils durch den Schreiber nach überliefertem Rezept hergestellt wurde, kann je nach Zusammensetzung und Umweltbedingungen das Papier schädigen. Im Endstadium können sich Teile der Schrift oder einer Zeichnung ablösen (Tintenfraß). Hier musste die Restauratorin mit ganz feinem, durchsichtigem Japanpapier die gefährdeten Bereiche stabilisieren. Glücklicherweise tritt dieses Schadensbild in der Bibliothek des Franziskanerklosters nur selten auf.

Ms 139, restauriert in der Restaurierungswerkstatt des Franziskanerklosters im Oktober 2020 für CHF 1.124,00. Publiziert auf der Plattform e-codices.

Sermones quadragesimales. Diese Predigten zur Fastenzeit wurden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wohl in Italien oder Südfrankreich geschrieben. Die Handschrift gehörte dem Franziskaner Magister Friedrich von Amberg († 1432), Guardian des Freiburger Klosters. Das Buch umfasst heute 116 Pergamentblätter von 15 x 11 cm, eingebunden in Holzdeckel, die mit weißem, heute stark abgeriebenem Leder bezogen sind. In der Mitte der oberen Kante des Vorderdeckels sind Reste der Kettenklammer erhalten (Stift), es handelt sich also um einen ehemaligen Kettenband (wie oben, Manuskript 54). Da dieser Band für den Gebrauch eines franziskanischen Predigers geschrieben wurde, enthält er nur wenige Verzierungen. Rote Überschriften und Paragrafenzeichen gliedern den in zwei Spalten angeordneten Text. Abschnitte und Satzanfänge sind durch rote Lombarden hervorgehoben. Friedrich von Amberg hat diesen Text teilweise korrigiert, eine neue Seitenzählung eingeführt und den Inhalt durch ein Register erschlossen. Der Bestand an Predigten entspricht im Wesentlichen der Handschrift aus Assisi, Fondo antico presso la Biblioteca del Sacro Convento, Ms 510. Bei der Restaurierung mussten vor allem Risse im Pergament mit Japanpapier geschlossen und der Rücken des Einbandes gefestigt werden.

 

Weitere Informationen:

Zur Bibliothek im Allgemeinen: Petra Zimmer: Bibliothèque du couvent des Cordeliers de Fribourg, in: Handbuch der Schweizer Klosterbibliotheken. Répertoire des bibliothèques conventuelles de Suisse. Repertorio delle biblioteche degli ordini religiosi in Svizzera, herausgegeben von der Stiftsbibliothek St. Gallen, bearbeitet von Albert Holenstein, Basel 2022, S. 172-178.

Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Franziskanerklosters Freiburg, bearbeitet von Dörthe Führer und Mikkel Mangold. Erscheint Ende 2023 als e-book (gratis) und im Druck.

Plattform e-codices (www.e-codices.unifr.ch): Es besteht die Möglichkeit, gratis und ohne Anmeldung die digitalisierten Handschriften Seite um Seite durchzublättern. Auf der Plattform sind 2.700 Handschriften publiziert, darunter 22 aus dem Franziskanerkloster Freiburg.

Zuletzt aktualisiert: 17. April 2023
Kommentar