Ein Wiedersehen mit Antonius in Portugal
Unser Autor war in Portugal unterwegs. Bei einem Besuch ist ihm auch der heilige Antonius begegnet – auf unerwartete Weise an einem besonderen Ort.
Fast zärtlich hält sie den kleinen Antonius von Padua in den Händen und bemalt ihn mit feinen Pinselstrichen. Gerne sehe ich ihr dabei zu und bewundere die Hingabe, mit der die junge Restauratorin die alte Gipsfigur wieder zu farbigem Leben erweckt.
Wir sind auf einer Reise durch Portugal und ich hatte nicht geahnt, wie oft ich dort „unseren“ Antonius von Padua antreffen würde. Und mit ihm so viele weitere Skulpturen und Bilder von Heiligen und von biblischen Geschichten, die mir so vertraut sind. Ich fand mich wieder auf den Spuren der europäischen Kulturtradition, auch wenn ich mich zwischen Porto und Lissabon am äußersten westlichen Rand des Kontinents bewegte. Übrigens wird er dort aufgrund seiner Herkunft allerdings als Antonius von Lissabon bezeichnet und nicht nach dem Ort, an dem er später lehren und sterben sollte. Völlig unerwartet erfahre ich an diesem Ort viel Neues aus der Biographie des berühmten franziskanischen Kirchenlehrers und Heiligen.
Erinnerungen bewahren
In dieser Werkstatt ist er als Gipsfigur gleich mehrfach vorhanden, und die Leiterin Cristina Silva erklärt mir, dass auch private Besitzer derartiger Kunstwerke die Angebote von Signinum nutzen und ihre Familienerbstücke hierher bringen. Der Arbeitsraum des Restaurationsbetriebs gleicht einer kleinen Fabrikhalle und er befindet sich auch weit außerhalb des historischen Stadtzentrums von Braga im Parque Industrial von Celeiros. Er ist lichtdurchflutet und wirkt durch die hellweiß getünchten Wände fast klinisch. Um so mehr scheinen die zu restaurierenden Figuren etwas verloren auf den schmucklosen Arbeitstischen. Santa Lucia, die Lichtbringerin aus Syrakus, findet sich hier. Außerdem Antonius und ebenso Franziskus und natürlich verschiedene Marienplastiken, darunter eine ausgreifende Strahlenkranzmadonna. Die Figuren sind überwiegend restauriert, teilweise aber noch in Bearbeitung mit fehlenden Gliedmaßen und abbröckelnder Farbe. Eine ganz eigene Versammlung von Heiligen. Besonders irritierend wirkt auf mich das kleine Jesuskind, das auf der harten Tischplatte liegt, anstatt in einer Krippe mit Stroh.
Preservamos legados e memorias ist der Leitspruch des 2001 gegründeten Unternehmens und ich frage mich, ob sie es schaffen, diese Vermächtnisse und die Erinnerungen zu bewahren. Wer kann heute diese Symbolwelt noch entziffern, die Augen auf dem Teller für Lucia, die Königin auf der Mondsichel, die Lilie und die Tonsur?
Restaurierte Werke, verlorenes Wissen
An der Wand lehnen mächtige Bilder des großartigen Malers Gregorio Lopes. Sie stammen aus der Igreja de São João Baptista de Tomar, wie der Beschriftung zu entnehmen ist, und sollen nach der Restaurierung wieder dorthin zurückkehren. Diese, wie fast alle Arbeiten, werden überwiegend aus privaten Spenden finanziert, da es keine umfangreiche Kunstförderung des Staates gibt. Ich stehe vor dem letzten Abendmahl und der Enthauptung des Johannes und bewundere den perspektivischen Aufbau und die feine Ausführung durch diesen portugiesischen Meister der Renaissance und des Manierismus. Als Hofmaler der Könige starb er damals geachtet und berühmt um 1550 in Lissabon – heute ist sein Name verblasst, auch wenn die Farben leuchten und wir durch ein neues Verfahren mehr als je zuvor über die Bilder erfahren können. Mit einer Art von Röntgenstrahlen kann man den Tiefenstrukturen und dem Aufbau der Bilder auf die Spur kommen. Und gleichzeitig, so gesteht die Kunsthistorikerin auf Nachfrage, ist das Wissen um die dargestellten Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament überwiegend verloren gegangen; nicht nur bei den Studierenden.
Zwischen den Zeiten
Nach der Führung verlassen wir den eigenartigen Raum, in dem sich die Gruppe zur Aufgabe gemacht hat, „kulturelles Erbe zu bewahren und es für die Zukunft zu erschließen“, wie es auf der Homepage heißt.
Auf dem Rückweg nach Braga sitzt Cristina Silva neben mir und wir unterhalten uns über die Gegenwart, Politik und Zeitgeschehen in Europa. Irgendwie sind wir so zwischen den Zeiten, sagt sie, man spürt und weiß, dass sich vieles verändert. Aber wir wissen noch nicht, wohin. Und ich denke an die Figuren der Vergangenheit und die junge Restauratorin mit neuer Farbe für Antonius.