Das Beste kommt zum Schluss
Fast zwei Jahre lang hat uns der heilige Antonius in dieser Serie begleitet. Nun blickt unser Autor ein letztes Mal auf Stationen und Charakteristika seines Lebens, die auch für uns heute bedeutsam werden können.
Antonius ist tot. Mit diesem Satz begann auch unsere letzte Folge. Diese drei Worte fassen eine unabänderliche Tatsache zusammen. Leben auf Erden ist endlich. Daran lässt sich nicht rütteln. Komme, was wolle: Antonius wird nicht wieder lebendig, so wie er es in der Zeit seines Erdenlebens gewesen ist. Die Jahrzehnte seines aktiven Lebens sind unwiederbringlich vorbei.
Doch schon die Tage und Wochen unmittelbar nach seinem Tod haben gezeigt, dass bei ihm einiges anders ist. Es zeichnet sich schnell ab, dass er über Jahre, Jahrzehnte, ja gar Jahrhunderte nicht vergessen sein wird. Rasch ziehen große Pilgerströme zu seinem Grab. Und je mehr Wunder dort geschehen, desto größer die Verehrung, die das gläubige Volk ihm entgegenbringt.
Mit Gewissheit bei Gott
Mit der Heiligsprechung kennt die katholische Kirche seit jeher einen Akt, bei dem nach entsprechender Prüfung der Papst verkündet, dass die Gewissheit bestehe, dass ein Verstorbener bei Gott ist. Der Katechismus erklärt dazu: „Wenn die Kirche gewisse Gläubige heiligspricht, das heißt feierlich erklärt, dass diese die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben, anerkennt die Kirche die Macht des Geistes der Heiligkeit, der in ihr ist. Sie stärkt die Hoffnung der Gläubigen, indem sie ihnen die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher gibt.“ – Letztlich ist die Heiligsprechung wohl fast immer eine Bestätigung dessen, was die Gläubigen in einer bestimmten Person sehen. Die Verehrung wird nicht gemacht, sondern festgestellt.
Einhelliger Wunsch
Die Biografie Assidua berichtet von einer großen Einmütigkeit nach dem Tod des Antonius. So sehr man sich eben noch unwürdig um den Leichnam gestritten hatte, so einig ist man nun, was die gewünschte Heiligsprechung anbelangt: „Alle fordern sie mit allen Mitteln, mit einer Stimme und vom selben Wunsch beseelt, Abgeordnete an die Kurie zu schicken, die dort um die Heiligsprechung des seligen Antonius bitten sollten. Man organisiert eine feierliche Versammlung des Klerus und des Volkes, um die Sache zu besprechen. Einstimmig kommt man darin überein, den gemeinsamen Wunsch der großen Versammlung zu erfüllen. Was gibt es dazu noch mehr zu sagen? Es schreibt der Bischof zusammen mit dem Klerus und der Bürgermeister gemeinsam mit den Adeligen und dem Volk – und es war noch kein Monat seit dem Tod des Heiligen vergangen, da schickte man schon Abgesandte an den Apostolischen Stuhl, die wegen ihrer Rechtschaffenheit einflussreich und wegen ihres Standes respektiert waren.“
Auf dem Weg nach Rom
Angesichts der Bedeutsamkeit, die Reliquien und ein Heiligengrab über den Glauben hinaus im Mittelalter hatten, darf man gewiss annehmen, dass nicht nur fromme Beweggründe die Einigkeit beförderten. Da mag durchaus auch die Aussicht auf Pilger aus allen möglichen Regionen eine Rolle gespielt haben, die Heiligsprechung sehr zügig zu fordern: Wallfahrer übernachten, essen, kaufen Devotionalien, geben Almosen. Doch weiterhin gilt, dass sich ein solcher Kult nicht einfach erfinden lässt. Die Menschen müssen schon etwas spüren – und das ist offenkundig der Fall.
Der Prozess nimmt denn seinen Lauf, wie der Verfasser der Assidua zu berichten weiß: „Schon nach wenigen Tagen trat die Gesandtschaft vor den Papst. Und nachdem sie eifrigst den Grund ihres Kommens erläutert hatten, wurden sie herzlich vom Herrn Papst Gregor IX. und allen in der Kurie anwesenden wichtigen Persönlichkeiten empfangen. Freilich waren viele von ihnen wegen des plötzlichen Ruhmes des Gottesmannes und des unvorhergesehenen Auftretens so großer Wunder nicht wenig erstaunt. Nachdem das heilige Kollegium der Kardinäle zusammengerufen war, hielt man eine feierliche Versammlung ab, um das von den Paduaner Abgesandten vorgebrachte Anliegen zu besprechen. Mit dem Einverständnis aller vertraute der Papst die Untersuchung der Wunder dem ehrwürdigen Bischof von Padua an, sowie dem Oberen der Abtei des heiligen Benedikt und dem Oberen der Dominikaner.“
Ein unerwartetes Hindernis
Auch wenn es den Paduanern mit der Heiligsprechung eilig ist: Die Prüfung der Wunder wird sorgfältig in Angriff genommen. Viele Zeugen werden angehört, Aussagen mit Eiden bestätigt und alles genau aufgeschrieben. Immer wieder werden Gesandtschaften an den päpstlichen Hof geschickt, um Berichte abzuliefern. Und auch die Kardinäle der Kirche sind sich relativ schnell einig, dass eine Heiligsprechung des Antonius geboten ist.
Dennoch läuft nicht alles glatt. Im Kollegium der Kardinäle gibt es nämlich doch einige, die Bedenken äußern: Es sei zu wenig Zeit seit dem Tod des Antonius vergangen. Man müsse sich mit der Heiligsprechung doch noch ein wenig zurückhalten. – Die Assidua erzählt, wie dann der künftige Heilige wohl selbst eingreift. Einem der zur Zurückhaltung mahnenden Kardinäle wird eine Vision zuteil und in deren Folge bemüht er sich umso eifriger um eine rasche Kanonisation.
In der Schar der Heiligen
Am 30. Mai 1232, am Pfingstfest, versammeln sich kirchliche Würdenträger, Abgesandte der Stadt Padua und unzählige Gläubige in Spoleto – der große, sehnsüchtig erwartete Tag, nur elf Monate nach dem Tod des großen Antonius: „Das heilige Kollegium der Kardinäle ist anwesend, es sind die Bischöfe versammelt, es kommen die Äbte und es eilen die Prälaten der Kirche aus den unterschiedlichen Teilen der Welt herbei. Neben der Versammlung der Kleriker drängt sich eine große, gleichsam unzählbare Menschenmenge. Und da erscheint der Papst in der Herrlichkeit seines Ruhmes, geschmückt mit den päpstlichen Insignien. Um den Auserwählten des Herrn herum drängt sich die Schar der Kardinäle und der anderen Kirchenfürsten, jeder mit heiligen Gewändern bekleidet. Vor dem ganzen Volk werden gemäß den Gebräuchen die Wunder verlesen. Daraufhin werden mit größter Verehrung und Hingabe die glorreichen Verdienste des seligen Vaters Antonius gepriesen. Da erhob sich der Hirte der Kirche, strahlte vor heiliger Ergriffenheit, streckte die Hände zum Himmel und schrieb den heiligen Antonius, nachdem er den Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit angerufen hatte, in das Verzeichnis der Heiligen ein. Er verfügte, dass man sein Fest am Tag seines Todes feiern solle – zum Lob und zum Ruhme Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, dem die Ehre und die Herrschaft sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Leben mit Nachwirken
Mit der Heiligsprechung ist gewissermaßen institutionell abgesichert, dass Antonius nicht in Vergessenheit gerät. Die als Auslöser wirkende Verehrung der Gläubigen ihm gegenüber wird durch den offiziell bestätigten Kult weiter verstärkt – und immer häufiger werden Wunder berichtet, die auf das Eingreifen des hl. Antonius zurückgeführt werden. Er wird seinem Ruf als wirkmächtiger Fürsprecher gerecht und lässt die Gläubigen nicht im Stich.
Ja, es lässt sich wohl sagen: Das Beste kommt zum Schluss – und das Ende ist noch lange nicht erreicht. Seit bald 800 Jahren ist der hl. Antonius tot, und doch lebendig wie eh und je. Er ist ein eindrückliches Beispiel, wie das Leben eines Menschen auch über den Tod, das vermeintliche Ende, hinaus weiterwirkt. Und damit ist er nicht nur Fürsprecher und Vorbild, sondern vielleicht manches Mal auch ein Trost. Wo der Mensch angesichts der Vergänglichkeit allen Lebens in Traurigkeit fallen kann, so darf er doch auch darauf hoffen, dass immer etwas weitergeht – nicht nur in der Ewigkeit, sondern auch auf dieser Erde, mitten unter den Menschen. Wir wissen nicht, was von uns bleibt. Aber wir dürfen hoffen, dass auch wir von der Nachwelt nicht einfach vergessen werden. Auch wenn so große Heilige wie Antonius ganz gewiss eher eine Ausnahmeerscheinung sind.