Ein Schweizer Missionar in Sambia

23. Dezember 2024 | von

Die Zahl der Franziskaner-Minoriten in der Schweiz ist überschaubar. Die Brüder sind nur noch an zwei Orten präsent: Fribourg und Flüeli. Mit Br. Werner Iten haben sie aber auch einen Missionar in Sambia. Seit Jahrzehnten lebt er dort und kommt nur alle fünf Jahre zum „Heimaturlaub“. Die Gelegenheit hat Br. Andreas genutzt, um ihn zu treffen, und stellt ihn und den Orden in Sambia auf den folgenden Seiten ausführlich vor. 

Alle fünf Jahre kommt er nach Hause. Das Zuhause ist dann das Minoritenkloster in Flüeli-Ranft, und er bleibt gleich für ein paar Monate, um die vergangenen Jahresurlaube nachzuholen. Seit Ende Juli ist Br. Werner Iten in der Schweiz, seiner ursprünglichen Heimat. Doch längst ist Sambia zu seinem eigentlichen Zuhause geworden: Seit dem Jahr 1975 wirkt er dort als Missionar und für ihn ist klar, dass er auf Dauer nicht zurück in die Schweiz möchte. Zu sehr ist er in seinem Missionsland heimisch geworden. 

Missionarisch angesteckt
Das kleine Seminar, das die Schweizer Brüder in Pensier führten, gibt es längst nicht mehr. Hans-Werner, so sein Geburtsname, besucht als Heranwachsender dieses klösterliche Internat und kommt schon in diesen Jahren mit der Mission in Berührung. Mehrere Schweizer Brüder wirken als Missionare in Sambia, unter ihnen auch Br. Michael Rommel. Er ging in diesen Jahren von der Schweiz nach Afrika und arbeitete in der Mission in Sambia. Als Gärtner und in der Druckerei leistete er ganz praktische Hilfe, um für ein Auskommen der Brüder zu sorgen. Nach einem schweren Autounfall musste er nach Hause zurückkehren und trat später dann auch aus dem Orden wieder aus – doch Hans-Werner hatte irgendwie Interesse gewonnen. Das Missionsjahr 1961 leistete einen weiteren Beitrag, den Horizont des jungen Schweizers auf die weltweite Kirche zu öffnen.
Die Mission klar im Blick, trat er schließlich in den Orden der Franziskaner-Minoriten ein. Sein Noviziatsjahr verbrachte er in Deutschland. Nach der Erstprofess am 3. Oktober 1968 wurde er zum Philosophiestudium nach Rom geschickt. Theologie mit Missiologie folgten anschließend in Fribourg. Parallel zum geisteswissenschaftlichen Studium ließ er sich landwirtschaftlich fortbilden. Der Hintergedanke dabei: Mit der Begründung „Landwirtschaft“ ließ sich leichter ein Visum bekommen – denn damit könnte er in Sambia ganz praktische Hilfe leisten, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. 

Anfänge in Sambia
Als er den damaligen Provinzialminister Br. Ludwig Renggli nach der Priesterweihe (19. Oktober 1974) schließlich fragt, ob er denn nun in die Mission gehen dürfe, merkt er rasch, dass einige Mitbrüder wenig begeistert sind. Erst solle er in der Schweizer Heimat Erfahrungen sammeln… Doch schon im April 1975 darf er für ein halbes Jahr zum Sprachkurs nach England und gleich darauf geht es dann nach Sambia in die Mission. 
Die dortige Präsenz des Ordens geht zurück auf den Appell von Pius XI. (Papst von 1922 bis 1939): Er versuchte, Ordensleute für die Mission zu gewinnen. Das Generalkapitel des Jahres 1924 machte sich diesen Aufruf zu eigen und ermunterte die Provinzen des Ordens, Missionen zu beginnen. Die (ehemalige) italienische Provinz der Marken beschloss schließlich auf ihrem Provinzkapitel im Jahr 1928, eine Mission in Afrika zu starten. 1954 wurde die Mission zum Generalkommissiariat und 1969 zur Generalkustodie erhoben. Die Brüder leisteten einen wesentlichen Beitrag bei der Entwicklung der Kirche vor Ort. 
Verstärkt wurden diese Bemühungen im Jahr 1959: Die amerikanische Provinz Our Lady of Consolation gründete eine eigene Mission im Nordwesten des Landes. Diese Mission ist es dann auch, die zur Heimat von Br. Werner wird.

Herausforderungen des Anfangs
Als Br. Werner in Ndola am Flughafen ankommt, steht er erst einmal alleine da. Das geschickte Telegramm war offensichtlich nicht angekommen oder vergessen worden. Nach der ersten Station im Bischofshaus dauert es dann aber nicht lange, bis er der St.-Joseph-Missionsstation in Manyinga zugeordnet wird. Das ist gut 400 Kilometer von Kitwe entfernt, wo die Brüder so etwas wie ein „Hauptquartier“ haben: Hier werden Einkäufe erledigt und Hilfsgüter auf die einzelnen Missionen verteilt. Die Fahrt zum ersten Einsatzort ist durchaus abenteuerlich: Unterwegs streikt das Auto, doch dank mechanischem Geschick können die Brüder es selbst reparieren. Und Br. Werner erzählt mit ein bisschen Wehmut, dass damals die Naturstraßen besser gewesen seien als die heutigen. Vor allem um den Unterhalt der Straßen habe man sich sehr viel mehr gekümmert.  
Doch ein sehr viel alltäglicheres und drängenderes Problem: die Sprache! Die einzige Amtssprache Sambias ist Englisch. Als Verkehrssprachen sind vor allem Bemba und Nyanja verbreitet. Doch für die pastorale Arbeit sind die knapp über 70 gesprochenen Stammessprachen unerlässlich. So gilt es also zunächst, die lokale Sprache von Manyinga zu lernen: Luvale. Dafür gibt es aber keine Sprachschule und auch Wörterbücher gibt es nur von Luvale auf Englisch und nicht umgekehrt, und natürlich nicht auf Deutsch. Vor allem von den Kindern lernt der noch fremde Europäer die Stammessprache und fühlt sich nach drei Jahren schließlich so sicher, dass er Predigten auch ohne ausformulierte Notizen halten kann. Die Alltagsverständigung klappt freilich viel früher, so dass er und die zwei Mitbrüder der Missionsstation gut bei den Einheimischen verwurzelt sind. 

Pastorale Basisarbeit
Nach zehn Jahren wird Br. Werner dann in das gut 200 Kilometer weiter nördlich gelegene Mwinilunga versetzt. Auch dort unterhalten die Brüder eine Missionsstation – und für Br. Werner beginnt die Basisarbeit von vorn. Denn auch hier gilt es nun, die lokale Sprache zu lernen. In diesem Fall ist das Lunda. 
Ist das einmal geschafft, kann die normale pastorale Arbeit aufgenommen werden. Zur „Buschmission“ gehören etwa 80-90 Kilometer täglich. In der Regel werden zwei Kirchen besucht, es werden Sakramente gespendet und die eine oder andere praktische Hilfe organisiert. Wenn der Priester kommt, dann trifft sich der ganze Ort. Denn dann wird es wieder Wochen oder gar Monate dauern, bis der nächste Besuch ansteht. Die pastorale Sorge wird in der Zwischenzeit den Katecheten und Laien anvertraut – eine Selbstverständlichkeit. 
Eine weitere wichtige Aufgabe, die Br. Werner erfüllt: Er leistet viel Übersetzungsarbeit. Unter seiner Regie wurden unter anderem die deuterokanonischen Bücher der Bibel in die Stammessprache übersetzt. Und für seinen aktuellen Schweizer Heimaturlaub hat er sich eine große Hausaufgabe mitgenommen. Für die Diözese soll in der Lunda-Sprache ein Rituale erstellt werden. Seine Sprachbegabung und seine langjährige pastorale Erfahrung kommen ihm dabei zu Hilfe. Gedruckt wird übrigens in Südkorea: Vor Ort in Sambia sind die Kosten zu hoch. 

Sichtbare Früchte
Weitere Versetzungen führten Br. Werner nach Ikelenge und schließlich, seit dem Jahr 2017, nach Lwawu, nahe der Grenze zu Angola. Zur Missionsstation dort gehören etwa 100 Hektar Land. Diese Fläche stellen die Brüder ganz in den Dienst der ihnen anvertrauten Menschen. Natürlich gibt es dort eine Kirche, aber auch ein Schwesternkloster. Die Schwestern sind mit in der Pastoral engagiert, geben aber auch Nähunterricht. Unweit des Klosters befindet sich eine Sekundarschule und, mittlerweile von der Regierung getragen, ein kleines Gesundheitszentrum. 
Zu Br. Werners Spendenprojekten der letzten Jahre gehört eine Hammermühle. Weil alle anderen dieser Mühlen der Umgebung defekt sind, man diese Maschine aber zum Mahlen des Grundnahrungsmittels Mais unbedingt braucht, ist die klösterliche Hammermühle zwölf Stunden am Tag im Einsatz. Ein bisschen stolz ist Br. Werner auch auf das von ihm jahrelang betreute Wasserkraftwerk. Es läuft seit 40 Jahren! Wo Geld immer Mangelware ist, sind diese Dinge der ganz praktischen Grundversorgung umso wichtiger.

Ordensprovinz mit Zukunft
Missionaren wie Br. Werner verdanken die Christen in Sambia nicht nur eine aktive Pastoral und viel alltägliche Unterstützung – die Missionare haben auch ihren Beitrag dazu geleistet, dass der Orden dort in den letzten Jahrzehnten beständig wachsen konnte. Die beiden ursprünglichen Kustodien wurden 1996 zu einer einzigen Generalkustodie zusammengelegt und zwei Jahre später zu einer Provinz unter dem Patronat der franziskanischen Protomärtyrer erhoben. Im Jahr 2000 wurde das erste Provinzkapitel gefeiert. Die Provinz Sambia zählt aktuell 109 Brüder mit Feierlicher Profess, 18 Klöster und drei 
Filialhäuser. Dass sich gerade etwa 40 Brüder in der Ausbildung befinden und jedes Jahr etwa sechs bis acht Kandidaten um Aufnahme bitten, zeigt, dass die Zukunft der Gemeinschaft gesichert ist. Man hat die Verantwortung für die Mission in Malawi übernommen und zwischenzeitlich mit Br. Richard Francis Chimfwembe auch einen Bruder nach Deutschland geschickt, um dort die Pastoral zu unterstützen. 
Beim letzten Provinzkapitel – im Juli 2024 – wurde Br. Mathews Kasongo zum neuen Provinzialminister gewählt. Er bringt viel Leitungserfahrung mit, war er doch bereits mehrere Jahre Provinzsekretär. Zuletzt war er Pfarrer der Antonius-Pfarrei von Ndola. Vor allem ihm ist nun die Sorge um die weitere gute Entwicklung seiner Provinz Sambia anvertraut.

Sambia
Sambia (Hauptstadt: Lusaka) ist ein Binnenstaat im südlichen Afrika. Sein Name kommt vom Fluss Sambesi, dem viertlängsten Fluss Afrikas und bekannt für die Victoriafälle. Das Land wird von ca. 20 Millionen Einwohnern bewohnt. Die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich konnte am 24. Oktober 1964 zurückgewonnen werden. Gemäß der Verfassung ist Sambia eine christliche Nation – die Protestanten sind aber in der deutlichen Mehrheit. Römisch-katholisch sind etwa 20% der Bevölkerung. Zu den großen gesundheitlichen Herausforderungen zählen Malaria und HIV. Trotz aller wirtschaftlicher Anstrengungen zählt Sambia nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt. 80% der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt, weitere 14% im Bergbau. Eine der Hauptquellen des Bruttoinlandsprodukts ist die Kupferindustrie. Das weitverbreitetste Gericht Sambias ist Nshima mit Ndiko. Nshima bezeichnet einen aus feinem, weißem Maismehl gekochten Maisbrei. Ndiko ist die Bezeichnung für verschiedene Soßen, etwa aus Spinat, Grünkohl, Tomaten, Okra oder Erdnüssen. Der Wahlspruch des Landes lautet: „One Zambia, one nation“ – „Ein Sambia, eine Nation“.

Zuletzt aktualisiert: 23. Dezember 2024
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