Nur nichts Gerades!
Kunst und Architektur von Friedensreich Hundertwasser versprechen Außergewöhnliches und erwecken Aufmerksamkeit. Vor 25 Jahren ist der Österreicher verstorben.
Sein bürgerliche Name Friedrich Stowasser ist kaum bekannt. Sein kompletter Künstlername vermutlich auch nicht: Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt. Unter diesem Namen, dessen einzelne Bestandteile im Lauf seines Lebens hinzukommen, wird der österreichische Künstler, der am 15. Dezember 1928 in Wien geboren wird, ab dem Jahr 1949 bekannt.
Friedrichs Vater stirbt, als sein einziger Sohn gerade ein Jahr alt geworden war. Fortan ist die Mutter alleinerziehend. Sie versucht nach Kräften, ihren Sohn zu fördern, dem die Kunstlehrer schon früh eine außergewöhnliche Begabung für Form und Farbe attestieren. Als die
Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernehmen, werden Mutter und Sohn innerhalb Wiens zwangsumgesiedelt. Dass sie angesichts ihrer jüdischen Herkunft im Gegensatz zu vielen ihrer Verwandten die Shoa überleben, dürfte wohl ein kleines Wunder sein. Nach der Matura im Jahr 1948 besucht Friedrich Stowasser für drei Monate die Wiener Akademie der bildenden Künste. Von nun an signiert er seine Werke als Hundertwasser – und bricht das Studium ab, kaum dass er es begonnen hatte. Stattdessen reist er lieber: Erste Auslandsaufenthalte führen ihn nach Italien, Paris, Marokko und Tunesien. Neben Englisch, Französisch und Italienisch spricht er bald auch ein wenig Japanisch, Russisch oder
Arabisch. Immer ist sein Malkasten im Gepäck, um Eindrücke und Ideen kreativ umsetzen zu können. Erste Ausstellungen folgen 1952 und 1953 in seiner Heimatstadt Wien, bald auch in Mailand und Paris.
Naturverbundene Kunst
Prägend für sein künstlerisches Schaffen ist seine Ablehnung der „geraden Linie“, die er als Ausdruck einer kalten, mechanischen Welt betrachtet. Er bevorzugt organische Formen, geschwungene Linien und unregelmäßige Strukturen, die den natürlichen Wachstumsprozessen der Natur nachempfunden sind. Dabei geht ihm jegliche Standardisierung gegen den Strich. Individualität und ausdrucksstarke Lebendigkeit sind Trumpf. Kunst sollte dabei nichts Separates, vom Alltag Getrenntes sein, sondern integraler Bestandteil des Lebens: Er will, dass Menschen Kunst erleben, indem sie sie in ihrer Umgebung sehen und fühlen können.
Dass ihm seine künstlerischen Prinzipien wichtiger sind als so manches feste Engagement, zeigt ein früher Konflikt in Hamburg. 1959 ist er an der dortigen Hochschule für bildende Künste als Gastdozent tätig. Gemeinsam mit den Künstlern Bazon Brock und Hubert Schuldt sowie seinen Studenten startet er im Klassenraum das Projekt Unendliche Linie. Mit Rot und Schwarz wird spiralförmig hochsteigend über Wände, Türen und Fenster eine ununterbrochene Linie gezogen – offensichtlich zum Missfallen des Rektors, der am 19. Dezember einen Schlussstrich zieht und das Projekt abbrechen lässt. Die Linie wird abgekratzt und übermalt und Hundertwasser beendet seine Tätigkeit in Hamburg.
Irrungen und Wirrungen
Auch sein Privatleben verläuft nicht linear. Nachdem er 1957 einen Bauernhof in der Normandie erwirbt, heiratet er ein Jahr später in Gibraltar die erst 16-jährige Herta Leitner. Die Ehe hält nur zwei Jahre und wird dann geschieden. In den 60er Jahren hält sich Hundertwasser in Japan auf, wo „Friedensreich“ Bestandteil seines Namens wird und wo er im Jahr 1962 ein zweites Mal heiratet. Doch auch diese Ehe wird bereits 1966 wieder geschieden. Schließlich kauft er sich in Neuseeland mehrere Grundstücke in der Bay of Islands: 372 Hektar nennt er dort sein Eigen, über 100.000 einheimische Bäume pflanzt er darauf im Lauf der Jahre. Zu seinen Immobilien gehört aber auch ein Palazzo in Venedig samt 15.000 Quadratmeter großem Garten. So sehr er sich mit der Natur verbunden fühlt: Zu seiner 1982 unehelich geborenen Tochter Heidi Trimmel lehnt er jeden Kontakt ab. Nach seinem Tod – er stirbt am 19. Februar 2000 an Bord eines Luxus-Kreuzfahrtschiffs auf dem Rückweg von Neuseeland nach Europa an Herzversagen – tritt eine von ihm gegründete Stiftung das Erbe an. Die Tochter fühlt sich bis heute um ihren Anteil betrogen. Ihr gegenüber hatte man behauptet, Hundertwasser habe mit seinem aufwendigen Lebensstil die verdienten Millionen selbst verbraucht und nichts als Schulden hinterlassen – schwer zu glauben angesichts der zahlreichen Immobilien in bester Lage und den kostbaren Werknutzungsrechten, die übrigens von der Schweizer Namida AG verwaltet werden.
Bleibendes Vermächtnis
Von bleibender Bedeutsamkeit ist das künstlerische Schaffen Hundertwassers. Seine Bilder sind weltberühmt und zieren unter anderem die 1995 erschienene „Hundertwasser-Bibel“. Mehrfach hat er Architekturprojekte begleitet und realisiert, unter anderem eine Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, die zwischen 1983 und 1985 entstand: Zwar zerstritt er sich heillos mit dem zuständigen Architekten Josef Krawina, der schließlich sogar abgelöst werden musste, schuf aber mit dem bunten und üppig begrünten Haus eine touristische Sehenswürdigkeit. Das gilt auch für sein letztes bauliches Werk, die „Hunderwassertoilette“ in Kawakawa in Neuseeland. Die Zahl der fotografierenden Besucher übersteigt diejenige derer, die die Anlage als Toilette nutzen, bei weitem. Sein bunter, geschwungener Stil ist auch für nicht Fachkundige sofort erkennbar – Friedensreich Hundertwasser hat eine Ära geprägt.