Der Dritte im Bunde

27. Januar 2025 | von

Überraschend kam im letzten Herbst die Nachricht aus Rom: Erzbischof Dominique Mathieu, Franziskaner-Minorit und Erzbischof von Teheran-Isfahan (Iran) wird Kardinal! Br. Andreas hatte das Glück, beim Konsistorium im Dezember dabei sein zu dürfen.

Ein historisches Ereignis – das war es zweifellos, was sich am 7./8. Dezember in Rom ereignete, jedenfalls für die Gemeinschaft der Franziskaner-Minoriten. Nachdem Br. Mauro Gambetti (Jahrgang 1965), ehemaliger Kustos des Sacro Convento in Assisi, am 28. November 2020 in das Kardinalskollegium aufgenommen wurde, endete eine über 150 Jahre andauernde Zeit, ohne dass es in der Gemeinschaft einen Kardinal gegeben hatte. Groß war die Überraschung, als keine zwei Jahre später Br. François-Xavier Bustillo (Jahrgang 1968), Mitglied der französischen Kustodie und Erzbischof von Ajaccio (Korsika), ebenfalls mit der Kardinalswürde ausgezeichnet wurde. Dass der Orden aber einmal drei Kardinäle gleichzeitig haben würde, damit hätte wohl niemand gerechnet.

Und wieder ein Minorit… 
Am 6. Oktober hat Papst Franziskus angekündigt, in seinem dann 10. Konsistorium während seiner elfjährigen Amtszeit 21 neue Kardinäle zu kreieren. Dabei blieb der Bischof von Rom seiner Linie treu, tendenziell eher nicht die Vorsteher großer (Erz-)Diözesen in den Kardinalsrang zu erheben, sondern mehrheitlich Geistliche aus der „Peripherie“. Die meisten der neuen Kardinäle stammen aus dem Globalen Süden. Der jüngste unter ihnen ist Bischof Mykola Bychok von der ukrainischen Eparchie Sankt Peter und Paul im australischen Melbourne mit 44 Jahren, der älteste der pensionierte Vatikandiplomat Angelo Acerbi (99), der unter anderem als Nuntius in Kolumbien und den Niederlanden wirkte. Das kleine Erzbistum Teheran und seinen am 16. Februar 2021 geweihten Erzbischof Dominique Mathieu hatte vermutlich kaum jemand als Kardinalskandidaten auf der Liste. Doch der 61-jährige Franziskaner-Minorit wurde am 7. Dezember während des Konsistoriums im Petersdom von Papst Franziskus in das Kardinalskollegium mit nunmehr 253 Mitgliedern aufgenommen. 140 Kardinäle sind derzeit jünger als 80 Jahre und damit bei einem möglichen Konklave wahlberechtigt. 

Petersdom in Minoriten-Hand
Die einmalige Chance, an einem Konsistorium teilzunehmen, wollte ich mir nicht entgehen lassen, zumal Br. Dominique und ich seit dem Jahr 2019 ein besonderes Verhältnis haben: Als ich zum ersten Mal zum Provinzialminister gewählt wurde, war er Generalassistent für die mitteleuropäische Föderation unserer Gemeinschaft. 
Der Generalprokurator unseres Ordens, Br. Maurizio di Paolo, kennt sich auf vatikanischem Boden bestens aus. Dank seiner Zugangsberechtigungen können wir am Samstagnachmittag einige Schlangen und Sicherheitschecks überspringen und werden obendrein auf bessere Plätze im Petersdom geführt als eigentlich für uns reserviert sind. Vielleicht merkt man auch hier, dass die Franziskaner-Minoriten derzeit im Petersdom an einigen zentralen Stellen Brüder sitzen haben: Der schon erwähnte Kardinal Mauro Gambetti ist als Erzpriester des Petersdoms sowie Präsident der Dombauhütte von St. Peter zuständig für Unterhalt und Renovierung der wohl berühmtesten Kirche der Welt. Und mit Br. Agnello Stoia gehört auch der derzeitige Dompfarrer dem Orden an. Dass obendrein ein Minorit „Kommunikationsdirektor“ des Petersdoms ist, mag sein Übriges tun. 

Erstes Mal in Rot
Ich sitze während des Konsistoriums neben Br. Michiel van Kooten und Br. Andreas Verstraeten. Als Mitglieder der Provinzdelegation Niederlande haben sie ein besonderes Verhältnis zu Br. Dominique, der einer der letzten Brüder der mittlerweile aufgelösten Provinz Belgien war. Als Br. Dominique vor dem Beginn des Konsistoriums ebenfalls über den Hintereingang den Petersdom betritt, entdecken sie ihn als erstes. Unser euphorisches Winken nimmt der gebürtige Belgier zur Kenntnis und lässt es sich nicht nehmen, die gut 20 anwesenden Brüder unserer Gemeinschaft zu begrüßen – für uns das erste Mal, dass wir ihn im Rot der Kardinäle sehen. Auch sein gesundheitlich angeschlagener Vater ist anwesend. Er hatte im Vorfeld gesagt: „Ich werde in jedem Fall dabei sein. Und auch wenn ich danach tot umfalle, diesen Augenblick möchte ich nicht verpassen!“ Am Tag darauf wird er einen besonderen Moment erleben. Der Papst ist für die Sonntagsmesse früher als angekündigt im Petersdom. Br. Dominique hat darum gebeten, dass sein Vater ihn kurz treffen darf. Mit dem Rollstuhl wird er zum Papst geschoben. Beide Männer im Rollstuhl unterhalten sich ein paar Augenblicke, wechseln einige Worte auf Französisch – eine Begegnung, die Br. Dominiques Vater wohl nie vergessen wird. Doch ohnehin sind diese Tage in Rom für ihn und seine beiden ebenfalls angereisten Töchter sicherlich unvergesslich.

Gesandt für die Kirche
Das Konsistorium ist eine relativ schlichte Feier. Der Petersdom ist voll besetzt. Papst Franziskus ist gesundheitlich geschwächt, doch seine Stimme tönt klar und sanft durch das hell strahlende Gotteshaus mit dem frisch renovierten Baldachin, in dessen Nähe wir sitzen. In seiner Predigt mahnt er vor allem die neu ernannten Kardinäle, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Denn: „Zu oft treten Nebensächlichkeiten an die Stelle des Notwendigen, haben Äußerlichkeiten Vorrang vor dem, was wirklich zählt, stürzen wir uns in Tätigkeiten, die wir für dringend halten, ohne zum Eigentlichen vorzudringen. Stattdessen ist es immer wieder nötig, zur Mitte zurückzukehren, das Fundament wieder zu finden, uns des Überflüssigen zu entledigen, um uns mit Christus zu bekleiden. Daran erinnert uns auch das Wort ‚cardo‘, welches das ‚Scharnier‘ bezeichnet, wo die Türflügel befestigt sind: Es ist ein fester Punkt, der Halt und Unterstützung bietet. Also, liebe Brüder: Jesus ist der grundlegende Haltepunkt, der Schwerpunkt unseres Dienstes, der ‚Kardinalpunkt‘, der unserem ganzen Leben Richtung gibt.“ Und er erinnerte seine wichtigsten Ratgeber daran, dass der Herr auf sie schaut, „die ihr aus unterschiedlichen Geschichten und Kulturen kommt und die Katholizität der Kirche verkörpert, und ruft euch auf, Zeugen der Geschwisterlichkeit, Handwerker der Gemeinschaft und Baumeister der Einheit zu sein. Das ist eure Sendung!“
Nach dem Treueeid erhalten die Kardinäle aus der Hand des Papstes ihren Siegelring, das rote Birett der Kardinäle und ihre Titelkirche. Für Br. Dominique ist das die römische Kirche San Giovanna Antida Thouret. Die Kirchenpatronin ist eine französische Ordensfrau (1765-1826), die im Jahr 1934 von Papst Pius XI. heiliggesprochen wurde. 

Alte und neue Verbundenheit
Br. Dominique wird dieser Kirche während seines Rom-Aufenthalts gewiss noch einen Besuch abstatten. Doch nach dem Konsistorium gilt es zunächst, die Glückwünsche zahlreicher Gratulanten entgegen zu nehmen. Denn viele warten auch draußen vor dem Petersdom. Sie hatten es trotz Zugangskarte nicht mehr hineingeschafft. 
Am Sonntag, dem Hochfest Immaculata, konzelebrieren die neuen Kardinäle gemeinsam mit dem Papst die Eucharistie im Petersdom. Für die Franziskaner-Minoriten kommt der Höhepunkt des Tages erst am Abend: Dann dürfen wir unseren neuen Kardinal in der uns anvertrauten Kirche Santi XII Apostoli willkommen heißen. In seinen Dankesworten wird deutlich, wie sehr er sich mit der Gemeinschaft verbunden und bei ihr zu Hause fühlt. Auch wenn man spürt, dass ein großer Teil seines Herzens für seine Aufgaben im Iran schlägt. 

Auf ein Wort mit Kardinal Mathieu im Ptersdom

Die neugierigste Frage zuerst: Wie hast du erfahren, dass du Kardinal wirst?
Mein Gott, das war eine Überraschung. Ich war ja zur Bischofssynode im Oktober in Rom. Ich war im Auto unterwegs, zusammen mit Br. Vincenzo Cosatti, dem Rektor der Beichtväter im Vatikan. Es war um die Mittagszeit. Wir haben uns fröhlich unterhalten, gelacht. Nebenbei lief das Radio. Da fragte Br. Vincenzo mich: ‚Kennst du einen Joseph im Iran?‘ Denn diesen Namen hatte er eben im Radio gehört. Es ist mein Zweitname. Und dann klingelte auch schon das Telefon. Ein anderer Mitbruder war am Telefon und er hatte ebenfalls Radio gehört. Dann erfuhr ich: Papst Franziskus hat mich gerade zum Kardinal ernannt!
Mich erstaunt, dass der Papst dich nicht vorher informiert hat. Wird man nicht gefragt, ob man einverstanden ist?
Nun, wenn ich zurückschaue, dann gab es schon einige kleinere Zeichen, die ich aber nicht als solche verstand. Schon bei einem Besuch vor zwei Jahren in Rom fragte mich Papst Franziskus, ob es meiner Aufgabe im Iran vielleicht helfen würde, wenn ich Kardinal wäre… Mittlerweile habe ich erfahren, dass er mich schon im letzten Jahr zum Kardinal ernennen wollte. Aber da war die politische Lage sehr angespannt. Nun war es offenbar so weit. 
Ein weiteres kleines Zeichen, das ich erst jetzt richtig deuten kann: Bei meinem Besuch im Sommer hatte ich angekündigt, dass ich mir einen neuen violetten Pileolus besorgen müsste. Ein Bruder der Generalleitung hat mich etwas gebremst. Ich soll ein wenig warten. Gut, dachte ich mir, vielleicht wollen die mir im Oktober einen schenken. Nun habe ich es verstanden… 
In Rot wirst du in einigen Tagen in dein Erzbistum zurückkehren. Wie wird es wohl im Iran aufgenommen, dass du nun Kardinal bist? 
Ich weiß es nicht. Wir müssen abwarten. Nun kann ich ja auch mit diplomatischem Pass reisen. Vielleicht wird da manches einfacher. In jedem Fall ist es ein Zeichen für den interreligiösen Dialog. Ich bin nicht einfach nur Kardinal für die wenigen Katholiken im Iran. Ich bin auch eine Verbindung zu diesem ganzen Land mit seinen Menschen. Denn das habe ich verstanden: Selbst wenn die Tür vielleicht im Moment geschlossen erscheint – solange wir als Katholiken da sind, ist da auch eine Tür. Auch wenn sie zu ist. Aber sie ist da, und damit besteht eine Chance, dass wir in einen Dialog treten können. Der Papst möchte diese Tür öffnen, und es gehört ja zu seinen Plänen, dass er einen Besuch im Iran macht. Ob es dazu kommt, das wissen wir nicht. Aber es wäre ein starkes Zeichen!
Danke, lieber Dominique! Und dir für deinen bestimmt herausfordernden Dienst im Iran weiterhin alles Gute, Gottes reichen Segen! 

Zuletzt aktualisiert: 27. Januar 2025
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