Ein Bischof für den Iran

03. Februar 2021 | von

Schon wieder wurde aus den Reihen der Franziskaner-Minoriten ein Bruder zum Bischof ernannt. Br. Dominique Mathieu, Jahrgang 1963, gebürtig aus Belgien und zuletzt Generalassistent für den mitteleuropäischen Teil des Ordens, wird künftig im Iran leben: Er wird Erzbischof für die Diözese Teheran-Isfahan. Die Redaktion des „Sendboten des heiligen Antonius“ durfte ihm ein paar Fragen stellen. Seine Antworten geben einen Einblick nicht nur zu den Umständen seiner Ernennung, sondern auch in sein künftiges Wirkungsfeld. 

Br. Dominique, am 8. Januar 2021 wurdest du von Papst Franziskus zum Erzbischof von Teheran-Isfahan ernannt. Wie muss man sich das vorstellen: Wann hast du davon erfahren, dass er dich ausgewählt hat? Was war deine erste Reaktion?
Nach einem Monat mit Covid-19 konnte ich dem Anruf von Kardinal Sandri, Präfekt der Kongregation der Orientalischen Kirchen, antworten, der mich Anfang Dezember 2020 zu einem Einzelkolloquium einlud. Während eines herzlichen Gesprächs teilte mir Monsignore Gallaro, Sekretär der besagten Kongregation, mit, dass der Heilige Vater mich zum Erzbischof von Teheran-Isfahan der Lateiner gewählt habe. Da ich wusste, dass ein Traum unseres Ordens einem Bedürfnis der Weltkirche entsprach, hatte ich erfahren, dass mein Name neben anderen im Umlauf war. Aber ich war sehr überrascht, dass der Papst es für richtig gehalten hatte, mich mit dieser Aufgabe zu betrauen, zu der mich nichts zu prädestinieren schien, ganz im Gegenteil.

Beim Generalkapitel des Jahres 2019 wurdest du zum Generalassistenten für die mitteleuropäische Föderation unseres Ordens gewählt. Seitdem lebst du in Rom. Mit deiner Ernennung zum Bischof ist diese Ordensaufgabe erloschen. Fällt es schwer, diesen Dienst nach so kurzer Zeit schon wieder abzugeben? Was wirst du vielleicht am meisten vermissen?
Ich bin dem Orden der Minderen Konventualen und allem, was ihn betrifft, sehr verbunden, weil ich ihm viel verdanke. Da diese Ernennung die Frucht einer verständigen Antwort meiner Ordensfamilie auf den Ruf Gottes und seiner Kirche ist, fühle ich mich nicht entwurzelt, sondern eher verankert in einem Projekt, das dem gemeinsamen Interesse dient. Sicherlich geht die Verbundenheit des Ordens über die Grenzen von Raum und Zeit hinaus. Aber ich werde mich freuen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, mein neues Engagement für eine kleine Zahl von Katholiken an der Peripherie der Kirche unter anderem mit Brüdern teilen zu können, die dieselbe Spiritualität leben.

Wie ist es dir nun in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung der Ernennung ergangen? Wie waren die Reaktionen deiner Mitbrüder, Freunde, Verwandten? 
Der Tag und die Uhrzeit der Veröffentlichung meiner Ernennung war auch der Tag des Glaubensbekenntnisses und der Vereidigung. Ich hatte die Freude, dies zusammen mit dem zukünftigen Metropolitan-Erzbischof von Izmir, meinem Mitbruder Martin Kmetec, ebenfalls Mitglied der Kustodie des Ostens und des Heiligen Landes, in einer tiefsinnigen Feier erleben zu dürfen. Für viele war die Nachricht eine Überraschung. Schnell verbreitete sie sich und ich wurde von Glückwünschen von überall her und durch alle Kommunikationsmittel überhäuft.

An was muss man als neu ernannter Bischof nun alles denken?    
Zunächst einmal geht es um die Wahl des Datums und des Ortes sowie um den Präsidenten und den Ablauf der Feier der Bischofsweihe. Es ist auch notwendig, die entsprechenden Gewänder und Ornamente zu erwerben. Journalisten stürmen die Telefone und die Mittel der sozialen Kommunikation für ein Interview. Die ersten offiziellen Kontakte werden mit den zivilen und religiösen Behörden aufgenommen. Da damit ein Mandat innerhalb des Ordens abgeschlossen ist, werden die Akten geschlossen und die letzten Berichte geschrieben. Danach beginnen die Interviews. Während der ersten Periode scheint man mehrere Leben gleichzeitig zu leben. Das Wichtigste ist, nicht die Fassung zu verlieren und den Rhythmus des Gebets und der Begegnung mit dem Herrn beizubehalten. Man bereitet sich innerlich auf die totale Hingabe an den Herrn vor, indem man sich aller überflüssigen materiellen Dinge entledigt, um dem Geistigen, dem wichtigsten Gepäck, den Vorrang zu geben.

Kannst du schon etwas zu deinem Wappen sagen?
Das Wappen besteht aus einem blauen Hintergrund mit einem blühenden Spikenard in der Mitte. In der Mitte des Stiels befindet sich ein persischer Stern, in dessen Zentrum eine Hostie mit dem Christusmonogramm steht. In wenigen Worten: Unter dem Schutz der heiligen Jungfrau Maria versammeln sich die wenigen römischen Katholiken um das fleischgewordene Wort, damit sie in Einheit mit der Weltkirche zu einem lebendigen und duftenden Sauerteig im Teig eines aufnahmebereiten und hochkultivierten Volkes werden, damit es mehr aufblühen kann.

Am 16. Februar 2021 sollst du in Rom zum Bischof geweiht werden. Weißt du schon Näheres zu dieser Feier? Sie findet ja wohl immer noch unter Corona-Bedingungen statt… 
Das Datum des 16. Februar wurde gewählt, weil auf diesen Tag das Fest des Schutzpatrons des Iran, des heiligen Maruthas, fällt. Die Feier findet um 17.00 Uhr statt, natürlich gemäß den geltenden Gesundheitsvorschriften. Das bedeutet, dass sie auch für diejenigen übertragen wird, die aufgrund von Reisebeschränkungen nicht teilnehmen können.

Papst Franziskus hat dich zum Erzbischof im Iran ernannt. Du bist ein muslimisches Umfeld von deiner Arbeit im Libanon gewöhnt. Dort hast du von 2013 bis 2019 gelebt. Gibt es Parallelen zwischen dem Libanon und deinem künftigen Sitz im Iran?
Da ich den Iran noch nie besucht habe, kann ich nur vom Hörensagen sprechen. Im Libanon haben die verschiedenen Religionsgemeinschaften ihre Viertel, Städte und Dörfer. Im Iran zählt die lateinische Gemeinde, die römischen Katholiken, bei einer Bevölkerung von 83 Millionen etwa 2.000 Gläubige, die sich auf Angestellte, Arbeiter, Bedienstete, Studenten und diplomatisches Personal, meist Ausländer, verteilen. Es handelt sich also um eine winzige Minderheit mit drei Gemeinden, die in einem kleinen Umkreis der Hauptstadt konzentriert sind.

Dein Erzbistum Teheran-Isfahan ist für die Seelsorge an allen römisch-katholischen Christen des lateinischen Ritus im Iran zuständig. Sieht man von den Mitgliedern der chaldäisch-katholischen und der armenisch-katholischen Kirche ab, gibt es nur wenige Tausend Katholiken im Iran. Wir sind in Europa zumeist Bischöfe gewohnt, die im Palais wohnen, die ein großes Ordinariat zur Verfügung haben und eine altehrwürdige Kathedrale. Wie sehen deine „Bischofsumstände“ im Iran aus? 
Die chaldäischen Katholiken und die armenischen Katholiken haben ihre eigenen Bischöfe. – Die Erzdiözese hat sechs Pfarreien: drei in Teheran, eine in Isfahan und eine in Tabriz. Zurzeit gibt es einen Ordenspriester und fünf Ordensschwestern. Die Consolata-Kathedrale befindet sich innerhalb des Gebiets der italienischen Botschaft in Teheran. Ein Gebäude wird als Bistumshaus, Pfarreigebäude, Empfangszentrum, etc. genutzt.

Der Bischofssitz war seit dem Jahr 2015 vakant. Geleitet wurde das Erzbistum von einem Apostolischen Administrator. Die Gläubigen warten auf einen neuen Bischof. In einem Zeitungsartikel habe ich ein ganz euphorisches Zitat eines Mitglieds deiner Diözese gefunden: „Die Ernennung ist wahrlich eine Gnade des Herrn und das Ende eines sechsjährigen Albtraums. Ich glaube, dass es langsam wieder Licht gibt – und auch ein bisschen Gerechtigkeit. Nun können wir eine neue Seite für die katholische Kirche des lateinischen Ritus im Iran aufschlagen. Wir sind sehr glücklich über diese Ernennung und voller Hoffnung!“ – Haben sich auch bei dir schon freudige Stimmen aus Teheran-Isfahan gemeldet? 
Ich habe durch Vermittler davon erfahren.

Wie gestaltet sich der Alltag eines Bischofs im Iran? Was wird voraussichtlich vorrangig zu deinem Dienst gehören?
Im Moment beginne ich, die Situation vor Ort besser kennenzulernen. Wichtig ist mir vor allem, als Seelsorger meine ganze Aufmerksamkeit auf die Gläubigen zu richten, um sie in der Gemeinschaft mit der Weltkirche um das fleischgewordene Wort, unseren Herrn Jesus Christus, zu vereinen. Er hat versprochen, bei uns zu bleiben bis zum Ende der Zeit. Unsere Brüder und Schwestern im Iran brauchen ein greifbares Zeichen, das diese Präsenz in den Tiefen des Christentums manifestiert.

Laut Open Doors steht der Iran auf dem Weltverfolgungsindex von Christen auf Platz 8. Das Christentum ist als Minderheitsreligion anerkannt, aber offensichtlich kommt es immer wieder zu Verfolgungen, Repressalien und Einschränkungen. Das wirst vermutlich auch du als Erzbischof spüren. Was lässt dich trotzdem „ja“ zu dieser Aufgabe sagen?
Vor einigen Wochen infizierte ich mich mit dem Corona-Virus. Die Folge: eine doppelte Lungenentzündung, die ihre Spuren hinterließ. Danach sagte mir der behandelnde Arzt, dass er mir eigentlich nur geringe Überlebenschancen eingeräumt hatte. Dank der guten Pflege meiner Mitbrüder, der Gebete von vielen, meiner besonderen Verehrung des heiligen Scharbel Machluf in Sachen Gesundheit und der Anrufung der heiligen Jungfrau Maria, bin ich, obwohl seit vielen Jahren von gesundheitlichen Problemen begleitet, immer noch unter euch. Papst Franziskus im Alter von 84 Jahren zu sehen, wie er mit einer Lunge die Mission übernimmt, die Gott und seine Kirche ihm anvertraut haben, erinnert mich daran, dass nicht mein Wille, sondern sein Wille geschehen soll. Menschliche Motive für eine Ablehnung dieser Aufgabe waren natürlich nicht schwer zu finden. Aber ich weiß auch: Gott hat mich nie im Stich gelassen. Ich vertraue mich ihm noch einmal an, ganz nach dem Motto meines bischöflichen Wahlspruchs „Deus meus, in te confido.“ – „Mein Gott, auf dich vertraue ich.“ (Psalm 25,2)

Besonders in Gefahr sind im Iran Muslime, die zum Christentum konvertieren. Die Taufe ist nicht gestattet. Auch die Eheschließung zwischen Christen und Muslimen ist verboten: Christliche Partner in gemischten Ehen werden de facto gezwungen, sich zumindest pro forma als Muslime zu bekennen. – Sind das nicht alles enorme Einschränkungen im sakramentalen Leben der Kirche?
Tun wir, was erlaubt ist, aber tun wir es gut. Geben wir dem Kaiser, was dem Kaiser gehört… nichts ist Gott unmöglich, aber alles zu seiner Zeit.

Es heißt, dass der Geheimdienst zusammen mit der Revolutionsgarde alle Aktivitäten der Christen überwacht. Angeblich werden auch Äußerungen in Sozialen Netzwerken gesammelt, um sie bei Bedarf gegen einen Christen verwenden zu können. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind strikt verboten – wohl auch aus Sorge, dass sich Muslime dem christlichen Glauben anschließen könnten. Aus einem freien Land kommend, klingen diese Umstände äußerst bedrohlich. Wirst du dein Christsein noch so leben können wie bisher?
Die Liebe Jesu Christi, obwohl einzigartig, hört nie auf, dem Menschen an allen Orten und unter allen Umständen zu begegnen. Möge der Herr mir die Gelegenheit geben, dies vor allem durch ein Leben zu bezeugen, das heilig wird in der Beziehung zu der mir anvertrauten Gemeinschaft. Betet für mich!

Wenige Wochen vor dir wurde Br. Martin Kmetec zum Bischof von Izmir, Türkei, ernannt. Du hast mit ihm gemeinsam vor Kardinal Sandri, dem Präfekten für die orientalischen Kirchen, das übliche Glaubensbekenntnis und den Treueeid abgelegt. Ihr werdet beide in einem in etwa vergleichbaren Umfeld leben und wirken. Zwischen euren Bischofssitzen liegen zwar fast 3.000 Kilometer, aber ist es eine Hilfe, dass ihr beide zur gleichen Zeit einen neuen Dienst beginnt?
Umso mehr, weil wir uns kennen, weil wir gemeinsam für das Wohl der Kustodie des Orients gearbeitet haben.

In den vergangenen Monaten wurden verhältnismäßig viele Franziskaner-Minoriten zum Bischof ernannt – unser ehemaliger Generalminister Br. Marco Tasca (Genua), Br. Nikolai Dubinin (Weihbischof, Moskau), der Kustos von Assisi Br. Mauro Gambetti (Kardinal) und nun ihr beide. Was bedeutet das für den Orden – und was können minoritische Bischöfe insbesonders der Kirche geben?
Wir geben Zeugnis von unserer Bereitschaft, der Kirche in schwierigen Situationen als Menschen vor Ort zu dienen, d.h. mit praktischer Erfahrung und gelebtem Glauben.

Gibt es für dich schon ein Umzugsdatum in den Iran?
Dies hängt von der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ab, was einige Zeit dauern kann. Denn selbstverständlich braucht es für meinen bischöflichen Dienst im Iran die Erlaubnis der Regierung. 

Du sprichst zahlreiche Sprachen, darunter natürlich auch Französisch und Englisch. Auch dein Deutsch ist perfekt. Du hast Grundkenntnisse im Arabischen. Wie geschieht die Verständigung im Iran? Hast du schon einen Farsi-Kurs gebucht?
Ich werde mich bemühen, nach und nach die Landessprache zu lernen, um bei Bedarf in alltäglichen Dingen kommunizieren zu können.    

Mit Erzbischof Leo Boccardi hat der Papst im Iran auch einen Nuntius. Er ist vor allem für die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und dem Vatikan zuständig. Gibt es auch Schnittmengen eures Dienstes im Iran? Werdet ihr am gleichen Ort leben? Kennt ihr euch vielleicht sogar schon länger?
Die Nuntiatur von Teheran ist nur wenige Schritte von der Kathedrale entfernt. Der Nuntius steht kurz vor dem Ende seiner Amtszeit und ist auf meine Ankunft angewiesen. Während der Nuntius für die diplomatischen Beziehungen zuständig ist, ist der Bischof in erster Linie für den pastoralen Teil verantwortlich: einfach den Nächsten zu lieben und ihm zu dienen. Dann versteht es sich von selbst, dass der Erzbischof gute Beziehungen zum Nuntius pflegen sollte.

Gebürtig stammst du aus Belgien. In deiner Heimat sind wir nur noch in Verantwortung der französischen Kustodie in Brüssel mit deinem Konvent vertreten. Die belgische Generaldelegation wurde vor mehreren Jahren schon aufgelöst. Könnte vielleicht auch ein Signal davon ausgehen, dass „ausgerechnet“ ein Belgier nun zum Erzbischof geweiht wird?
Gott hat seine Pläne...

Im Namen der Sendbotenleser/innen danke ich dir herzlich für das geduldige Beantworten der Fragen. Wir versprechen dir gemeinsam unser Gebet für deinen Dienst im Iran und die nächsten Schritte, die vor dir liegen. Über das Hilfswerk „Caritas Antoniana“ ist die große Antonius-Familie sicherlich auch bereit, das ein oder andere Projekt finanziell zu unterstützen. Alles Gute – Gottes Segen!

Zuletzt aktualisiert: 03. Februar 2021
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