Geldsegen vom Staat (?)
Ein aktuelles Thema greifen wir an dieser Stelle auf: Staatliche Subventionen halten Wirtschaftszweige am Leben, kosten den Steuerzahlenden aber Jahr für Jahr große Summen Geld. Wenn Kürzungen drohen, ist Widerstand vorprogrammiert.
Deutschland muss sparen. Und anderen Nationen geht es längst oder immer wieder ähnlich. Das Geld reicht nie. Staaten sind meist hoch verschuldet. Wegen akuten Geldmangels hat der bundesdeutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) im vergangenen November eine umfassende Haushaltssperre verhängt. Um die Schuldenbremse im Haushaltsjahr 2024 irgendwie einhalten zu können, arbeitet die Bundesregierung an einem Sparpaket. Ab Mai soll auf Flugreisen eine höhere Ticketsteuer entfallen – erhoffte Mehreinnahmen für den Staat: 400 Millionen Euro. Verschärfungen beim Bürgergeld sollen 170 Millionen Euro auf der Ausgabenseite einsparen. Doch für am meisten Furore haben die angekündigten Kürzungen im Bereich Landwirtschaft gesorgt.
Bauernprotest gegen Kürzung
Seit 1951 erhalten Landwirte in Deutschland eine teilweise Rückerstattung der Energiesteuer für Diesel. Sie bekommen vom Staat 21,48 Cent pro Liter erstattet – bei großen Betrieben, die mit mehreren Diesel-Traktoren ihre Felder bewirtschaften, macht das im Jahr schnell einige Tausend Euro aus. Zudem sind Landwirte von der KFZ-Steuer befreit.
Im Rahmen des Sparpakets sollten beide Maßnahmen ersatzlos und ziemlich rasch gestrichen werden. Doch die Bundesregierung hat wohl nicht mit den energischen Protesten der deutschen Landwirte gerechnet. Der Deutsche Bauernverband rief zu einem „friedlichen und demokratischen Protest“ auf. Höhepunkt: der 8. Januar, als bundesweit zahlreiche Straßen von Traktoren blockiert wurden. Die Proteste zeigten rasch Wirkung: Die angekündigte Streichung der KFZ-Steuerbefreiung wurde von der Ampelkoalition umgehend zurückgenommen; die Entlastung beim Agrar-Diesel soll nun lediglich schrittweise zurückgefahren werden. Erst 2026 sollen Landwirte keine Steuererleichterung mehr für ihren Treibstoff bekommen. Bauernpräsident Joachim Rukwied hält das Zurückrudern der Regierung für unzureichend: „Dies kann nur ein erster Schritt sein. Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch. Es geht hier ganz klar auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Branche und um die Frage, ob heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht ist.“ – Damit war ein Topthema der ersten Wochen dieses Jahres: staatliche Subventionen.
Stete Kurve nach oben
Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Subventionen als „finanzielle staatliche Zuschüsse, die nicht an eine direkte Gegenleistung gebunden sind. Empfänger von Subventionen können (andere) Staaten, Unternehmen oder private Haushalte sein. Subventionen fließen direkt (Finanzhilfen) oder indirekt (Steuervergünstigungen).“ Die Bundesregierung ist per Gesetz dazu verpflichtet, alle zwei Jahre einen „Subventionsbericht“ vorzulegen und wählt dabei einen engeren Subventionsbegriff als beispielsweise das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Dieses rechnet auch Gebührenermäßigungen oder -befreiungen und Sozialleistungen zu den Subventionen, also auch staatliche Zuschüsse an Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Kindergärten. Damit sind die Subventionen in Deutschland gemäß Bericht der Bundesregierung zwar seit den 1970er Jahren stetig gestiegen und beeindruckend hoch, bei einer weiteren Fassung des Subventionsbegriff gehen Fachleute aber davon aus, dass die Summe um das Fünffache höher liegt.
Das Gesamtvolumen von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen belief sich 1970 auf 16,1 Milliarden Euro. Bis 1990 ist diese Summe auf 40,3 Milliarden angewachsen. Mit der Wiedervereinigung – seitdem wird das Volumen nicht mehr nur für das alte Bundesgebiet erfasst – kletterten die staatlichen Subventionen auf 55 Milliarden (1995). Ein Höhepunkt wurde im Corona-Jahr 2021 erreicht: In Deutschland wurden in diesem Jahr über 120 Milliarden Euro Subventionen verteilt. Aktuell liegen die Subventionen, etwas variierend je nach Berechnungsmethode, bei etwa 70 Milliarden Euro. In Österreich und der Schweiz sind Subventionen nicht minder bedeutsam: Die Eidgenossenschaft kennt etwa 500 Subventionen, Volumen derzeit etwa 48,5 Milliarden Schweizer Franken. Und Österreich kann sich vor allem mit seinen Unternehmenssubventionen sehen lassen: 2020 und 2021 belegte es mit diesen den europaweiten Spitzenplatz.
Für und wider Subventionen
Im Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland bewertet Daniel Buhr, Leiter des Steinbeis Transferzentrums Soziale und Technische Innovation und außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät in Tübingen, das Subventionswesen differenziert: „Subventionen sollen Innovationen, Absatz und Investitionen fördern, die Ansiedelung oder Gründung von Unternehmen unterstützen, den Strukturwandel beflügeln, aber auch den Arbeitsplatzabbau verhindern. So sinnvoll jede Einzelmaßnahme für die Betroffenen auch sein mag, so kritisch werden Subventionen aus ökonomischer Perspektive bewertet. Aus der Sicht der (neo)klassischen Wirtschaftstheorie ist der Eingriff in den (freien) Marktmechanismus deshalb zu kritisieren, weil er zu Fehlallokationen führen kann und so zum Beispiel die Anpassungsprozesse innerhalb der Wirtschaft verzögert und dadurch mitunter nachhaltig negativ beeinflussen kann. Nur wenn ohne Staatseingriff ein unter Allokations- oder Verteilungsaspekten unerwünschtes Marktergebnis zu erwarten wäre, kann in diesem Sinne die Gewährung von Subventionen gerechtfertigt sein.“
Anpassen, erhalten, produzieren
Unterschieden wird zwischen Anpassungs-, Erhaltungs- und Produktivitätshilfen. Anpassungshilfen wollen Unternehmen helfen, die, aus welchem Grund auch immer, von einem Strukturwandel betroffen sind. Ziel ist es dann, den betroffenen Regionen eine finanzielle Entlastung zu bieten und gleichzeitig Anpassungsprozesse zu fördern. Erhaltungshilfen machen in der Regel den größten Anteil staatlicher Subventionen aus. Sie sorgen dafür, dass bestimmte Wirtschaftszweige, bei denen es politisch oder gesellschaftlich gewünscht ist oder notwendig erscheint, erhalten bleiben. Produktionshilfen nehmen schließlich zukunftsträchtige und wachstumsversprechende Branchen in den Blick und unterstützen Wirtschaftszweige, die bei Neuansiedlungen oder Innovationen auf Unterstützung angewiesen sind.
Steinkohle am Staats-Tropf
Eines der klassischen Beispiele für Subventionen in Deutschland ist die Steinkohle. Schon Ende der 1960er Jahre arbeitete nur noch die Hälfte der zahlreichen Zechen im Ruhrgebiet kostendeckend. Doch mehr als 600.000 Menschen verdienten in der Republik ihr Brot in den Bergwerken: Die Branche ist „systemrelevant“, nicht zuletzt im Blick auf Wählerstimmen. Der Wandel allerdings ist unaufhaltbar. Weil andere Energiequellen genutzt werden, wachsen die Halden mit unverkaufter Kohle – und Importware aus Australien, den USA oder Russland ist unter anderem aufgrund geringerer Fördertiefe und entsprechend weniger Aufwand deutlich billiger. Staatliche Beihilfen versuchen, diesen Wirtschaftszweig am Leben zu halten. Der Wirtschaftshistoriker Franz-Josef Brüggemeier schätzt, dass zwischen 200 und 300 Milliarden an Beihilfen, Prämien und Abnahmegarantien geleistet wurden. Das mag alles gute Gründe gehabt haben. Doch Roland Döhrn, Forscher am Essener Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, meint: „Im Nachhinein würde man sagen: Wenn man vielleicht Mitte der 60er-Jahre den großen Schlussstrich gezogen hätte und gesagt hätte: Kohlenbergbau, das wird nie mehr was, wäre das ein Ende mit großem Schrecken gewesen. Aber vielleicht stünde Nordrhein-Westfalen heute besser da.“
Ob der Staat also mit seinen Subventionen immer richtig liegt, darüber kann man streiten. Die Ansiedlung einer Batteriezellenfabrik von Tesla südöstlich von Berlin wollten sich Bundesregierung und EU-Kommission angeblich etwa 1,1 Milliarden an Subventionen aus Steuermitteln kosten lassen – bis Elon Musk aus Sorge um Betriebsgeheimnisse und Image schließlich darauf verzichtet. Und noch weit höher soll die staatliche Förderung einer Intel-Chipfabrik in Magdeburg ausfallen: Sage und schreibe 9,9 Milliarden soll der US-Konzern erhalten. Gerechtfertigt werden solche Zahlungen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, der positiven Wirkung auf komplette Regionen und die Signalwirkung auf Zulieferer und andere Betriebe.
Sparen per Rasenmäher?
Doch angesichts klammer Kassen und des damit verbundenen Sparzwangs sind Subventionen auch politisch nicht unumstritten. Sie verschlingen Unmengen Geld, verzerren unter Umständen den Markt und stellen obendrein einen gewissen Risikofaktor dar: Staatlich subventionierte Unternehmen sind in vielen Regionen der Welt immer weniger willkommen. Vor allem Länder, die auf einen freien Marktzugang im Ausland angewiesen sind, schaffen sich mit einem Übermaß an Subventionen Probleme. Doch wie schafft man Zahlungen ab, an die sich ganze Wirtschaftszweige nicht nur gewöhnt haben, sondern die diese unter Umständen auch tatsächlich am Leben erhalten?
Der Abbau von Subventionen erhält nur auf allgemeiner Ebene Zustimmung. Sobald Kürzungen konkret werden, sind Protest und Widerstand vorprogrammiert. „Vor diesem Hintergrund“, schreibt Daniel Buhr, „werden häufig Forderungen nach linearer Kürzung der Subventionen laut (‚Rasenmähermethode‘), weil sich diese wegen ihrer gleichmäßigen und damit ‚fairen‘ Lastenverteilung auf alle Empfängergruppen besser durchsetzen ließen.“ Der Rasenmäher übersieht dann allerdings, dass es eben doch Bereiche geben kann, in denen prioritäre Entwicklungen erwünscht oder geradezu notwendig sind – aktuell beispielsweise in den Bereichen Energiewende oder Digitaler Wandel. So führt also wohl kein Weg daran vorbei, gewährte Subventionen regelmäßig auf ihre anhaltende Notwendigkeit und ihre Nachhaltigkeit hin zu überprüfen – und dann gegebenenfalls den ungeliebten Rotstift anzusetzen.
Zukunft: offen
Ob die Landwirte mit den geplanten Kürzungen in Deutschland also für die nächsten Jahre vor weiteren Einsparmaßnahmen sicher sind? Es darf bezweifelt werden. Gut möglich, dass Subventionstöpfe wie „Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung“, die „Förderung von bilateralen Forschungskooperation und Wissensaustausch für international nachhaltige Waldbewirtschaftung“ oder „Zuschüsse zur Förderung von Maßnahmen zum Humusaufbau“ früher oder später versiegen. Und während die Bundesregierung gemäß ihrem 29. Subventionsbericht viele Finanzhilfen mittlerweile ohnehin befristet, weist die Übersicht der Steuervergünstigungen nur selten Befristungen auf. Gründe genug für reichlich Diskussionsstoff dürfte es damit auch in Zukunft geben – nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für alle Wirtschaftszweige, die vom staatlichen Geldsegen profitieren oder vielleicht sogar existenziell darauf angewiesen sind.