Von Resignation keine Spur
Die Franziskaner-Minoriten in den Niederlanden sind wenige geworden: Nur zehn Brüder gehören noch zur Delegation. Der jüngste von ihnen ist Br. Michiel van Kooten, ein frisch gebackener Rentner. Ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht. Bei seinem letzten Urlaub in Deutschland hat er viele Pläne mit im Gepäck.
Br. Michiel, an Weihnachten hast du deinen 65. Geburtstag gefeiert und bist in Rente gegangen. Da liegt hinter dir ein schon längerer Weg im Orden. Wie sah der aus?
Das war ein langer Weg… Ich war 19 Jahre alt, als ich durch meinen Pfarrer mit dem Orden in Kontakt kam. Aber erst mit 30 Jahren habe ich das Postulat begonnen. Die schwierige Lage der Orden bei uns war damals schon deutlich spürbar. Aber meine Faszination für das franziskanische Charisma war immer stärker als alle Zweifel.
In der Seelsorge hatte ich dann drei Hauptaufgaben: Ich war Pfarrer, dann Seelsorger in Pflegeheimen und Hausgeistlicher für Schwesterngemeinschaften.
Zuletzt warst du in dieser Funktion bei den Franziskanerinnen von Dongen und den Franziskanerinnen der Heiligen Familie tätig. Wenn wir uns in dieser Zeit getroffen haben, hast du immer wieder von hohen runden Geburtstagen erzählt, die in den Schwesterngemeinschaften gefeiert wurden. So schön das ist: Es sind aber doch aussterbende Gemeinschaften, für die du tätig warst…
…ja, so kann man das sagen. Oder wie wir in den Niederlanden es formulieren: Gemeinschaften gehen der Vollendung entgegen. Wir glauben, sie haben ihren Auftrag in dieser Zeit erfüllt.
Genau wie in meiner eigenen Gemeinschaft – wir waren 55 Brüder, als ich eintrat, jetzt sind es nur noch zehn – sind alle Orden und Kongregationen in den Niederlanden stark zurückgegangen. Die Franziskanerinnen von der Heiligen
Familie haben noch drei Mitglieder in den Niederlanden und die Franziskanerinnen von Dongen 13. Letztere haben eine Mission in Indonesien mit mehr als 200 Schwestern, die weiter wächst.
„Vollendung“ heißt nicht: „ohne Hoffnung“. Große Aufmerksamkeit schenke ich in meiner mittlerweile ehrenamtlichen Tätigkeit für die Schwestern und in der Pfarrei dem Thema des Heiligen Jahres: „Pilger der Hoffnung“. Wir alle sind Pilgerinnen und Pilger auf dem Weg des Glaubens, und so alt wir auch sind, legen wir weiterhin Zeugnis ab von diesem Glauben. Die Schwestern, die in ihrem aktiven Leben in der Erziehung und Pflege gearbeitet haben, sind nun mehr und mehr zu einer betenden Gemeinschaft geworden. Und wir sollten die Macht des Gebets niemals unterschätzen! Die Menschen bitten auch immer wieder darum, weiterhin für sie zu beten.
Ich höre immer wieder: Die Niederlande sind uns kirchlich 20, 30 Jahre voraus. Das kann Angst machen. Denn bei euch sind viele Kirchen geschlossen und verkauft, Klöster sind verschwunden und kaum jemand besucht den Gottesdienst.
Es stimmt: Die Situation der Kirche ist schwierig. Was ich gelernt habe: In der heutigen Zeit kann man die Fragen der religiös suchenden Menschen nicht immer einfach mit den alten Glaubenswahrheiten beantworten.
Es gibt aber auch Hoffnungszeichen – oder erfreuliche Entwicklungen in all dem Schweren. Unsere schöne Klosterkapelle in Dongen wurde jetzt zur Pfarrkirche. Wir haben nun jeden Sonntag eine volle Kirche mit bis zu 150 Gläubigen. Es gibt drei Chöre, wir haben Lektoren und Messdiener, es gibt viele Arbeitsgruppen der Pfarrei, insgesamt mehr als 300 Ehrenamtliche! Es gibt katechetischen Unterricht, sehr gut besuchte Glaubenskurse und auch auf karitativer Ebene wird in der Pfarrei und in der Gemeinde Dongen viel getan.
Du legst großen Wert darauf, dass du in einer internationalen Gemeinschaft lebst. Unseren Orden gibt es auf der ganzen Welt. Was bedeutet für dich diese internationale Verbindung?
Wir in den Niederlanden bereiten uns schon seit vielen Jahren darauf vor, dass es unseren Orden in unserer Heimat wohl eines Tages nicht mehr geben wird. Deshalb war uns immer wichtig, Projekte der Gemeinschaft in anderen Ländern zu unterstützen.
Wir sind immer sorgsam mit unseren Finanzen umgegangen. Dies hat uns die Möglichkeit gegeben, andere Länder zu unterstützen, wo es ein größeres Wachstum im Orden gibt, aber zu wenige finanzielle Mittel.
Weil wir bei uns keine Berufungen mehr haben und ich in den Niederlanden der jüngste Bruder bin, habe ich mich immer mit einem Vergleich getröstet: „Du kannst glücklich verheiratet sein, auch wenn du keine Kinder hast!“ Darauf hat mir einmal ein Mitbruder geantwortet: „Michiel, dank eurer Unterstützung können unsere Postulanten und Novizen studieren und sich weiterentwickeln. Das sind auch eure ‚Kinder‘!“ Das hat mich schon immer bewegt und mir Hoffnung gegeben. Etwas von uns geht weiter!
Momentan verbringst du einen längeren Urlaub in Schwarzenberg. Im April folgt ein Treffen des Ordens auf europäischer Ebene. Und im Juni wirst du als Vertreter der Delegation beim Generalkapitel in Rom teilnehmen. Du investierst viel in die Verbindung mit Brüdern aus anderen Ländern!
Auf jeden Fall bin ich ein Mensch, der Gemeinschaft sucht: Ich bin auch deswegen Franziskaner-Minorit geworden, weil ich unter Brüdern leben wollte. In den Niederlanden haben wir einen sehr guten Kontakt zueinander in einer Situation, die nicht einfach ist. Als große Bereicherung empfinde ich das Kennenlernen von Mitbrüdern aus dem Ausland: Ich lerne nicht nur neue Brüder kennen, sondern auch neue Denkweisen, andere Kulturen und eine andere, inspirierende Art, den Glauben zu praktizieren. In der aktuellen Zeit, in der sich jeder immer mehr auf sein eigenes Territorium zurückzuziehen scheint, halte ich das für sehr wichtig. Wir sind eine universale Kirche, und nur so können wir hoffnungsvolle Zeugen der Botschaft des Evangeliums sein und bleiben.