Heinrich II. – Der Heilige

15. Juli 2024 | von

Unser Autor war von 2002 bis 2022 der 75. Erzbischof von Bamberg und Metropolit der Kirchenprovinz. Hier stellt er den Bamberger Bistumspatron vor. 

„Der Heilige“ ist der Beiname, der Heinrich II. in der Geschichtsschreibung beigegeben wird. Vor 1.000 Jahren, am 13. Juli 1024, starb er. Obwohl er nur 51 Jahre alt wurde, konnte er auf ein großes Lebenswerk zurückblicken. Geboren wurde er (wahrscheinlich) in Bad Abbach am 6. Mai 973. Er stammte aus dem Adelsgeschlecht der Ottonen. Ab 995 war er Herzog von Bayern. Von 1002 an regierte er als König das Ostfrankenreich sowie ab 1004 auch Italien. Von 1014 bis 1024 herrschte er als römisch-deutscher Kaiser. Das Reich, das ungefähr das heutige Deutschland, die Niederlande, Belgien und Teile von Frankreich, Österreich und die Schweiz sowie Ober- und Mittelitalien umfasste, hatte er im Innern geeint und nach Osten ausgebreitet. Dabei hatte er slawische Völker und Stämme unterworfen und zum christlichen Glauben bekehrt. 

Kirchenreformer und Bistumsgründer
Ein Päpste-Schisma hatte Heinrich II. in Rom beendet, indem er einen Gegenpapst namens Gratianus absetzte und dem rechtmäßigen Papst Benedikt VIII. das Petrusamt sicherte. Im ganzen Reich hatte er eine Reform der Kirche initiiert, wozu auch Papst Benedikt VIII. im Jahr 1020 nach Bamberg kam. Von dort aus besuchten Papst und Kaiser Bistümer und Klöster und reformierten sie. Heinrich II. suchte die Verweltlichung, vor allem der Bischöfe und der Domkapitel sowie der Äbte und Mönche sowie aller kirchlichen Verantwortungsträger, zu beenden und die Kirche wieder überall als geistig-geistliches und kulturelles Zentrum zu erneuern. Er hatte die Gründung des Bistums Bamberg im Jahr 1007 veranlasst und bei anderen Bistums- und Klostergründungen mitgewirkt. Die Liturgie der Kirche hatte er gefördert und bereichert. Durch seine Initiative wurde das „Glaubensbekenntnis“ in die Messliturgie der ganzen Kirche eingeführt; seitdem wird es an jedem Sonntag und an den Feiertagen als Abschluss der Wort-Gottes-Liturgie von allen Gläubigen in der ganzen Welt gesprochen. Sein neues Bistum Bamberg sowie auch andere Ortskirchen hatte er mit kostbaren Kelchen, Messgewändern, handgeschriebenen Messbüchern und Lektionaren ausgestattet. Er war zweifellos ein kirchlich gesinnter Herrscher, der das Christentum ausbreitete und der Kirche zu mehr Ansehen, Ruhm und Ehre sowie zu mehr Wirksamkeit für die Missionierung und für die Vertiefung des Glaubens verhalf. Auch die christliche Erziehung hatte er durch die Gründung von Schulen gefördert und ebenso Hospize für kranke und alte Menschen errichten lassen. Persönlich war er ein gläubiger und frommer Christ, der das Evangelium las und hörte, täglich betete und die Sonntags- und vor allem Festtagsgottesdienste mitfeierte. 
Auch die Bekehrung Ungarns zum Christentum hatte er gefördert, indem er dem jungen, frischgetauften König Stephan seine Schwester Gisela zur Frau gab. 
Bei seinen Unternehmungen war Heinrich nicht zimperlich vorgegangen: Er hatte Kriege gegen die Slawen geführt und Kontrahenten, Fürsten wie Bischöfe, die sich seinen Vorhaben widersetzten, ausgetrickst oder mit Waffengewalt unterworfen. Besiegte behandelte er hart und bestrafte sie drakonisch. Er beutete Untertanen für seine Unternehmungen aus und zwang sie zu Kriegsleistungen und Abgaben. Ein Chronist seiner Zeit fasst sein Handeln so zusammen: „Die einen demütigte er und zwang alle, ihm mit gebeugtem Nacken Ehre zu erweisen.“

Die Frau an seiner Seite
Ohne Kunigunde von Luxemburg, seine Ehefrau, ist Heinrich II. nicht zu denken. Ohne sie wären weder sein Leben noch seine Erfolge möglich gewesen.
Die Gemälde, Statuen und Wandteppiche, die das Kaiserpaar abbilden, strahlen Harmonie, Einigkeit und Heiligkeit aus. Auf der Deckplatte ihres Grabes im Bamberger Dom, das Tilman Riemenschneider zwischen 1499 und 1513 so beeindruckend gestaltet hat, ruhen die beiden wie Lebende friedlich nebeneinander. Oft werden Heinrich und Kunigunde gemeinsam mit Reichsapfel und Zepter sowie mit einer Kirche in den Händen dargestellt; für Reich und Kirche setzten sie sich gemeinsam unermüdlich ein. Kunigunde war dabei der gute Geist und sowohl die kluge als auch fromme Frau an seiner Seite. Vor allem bei der Gründung des Bistums 1007 und dem Ausbau Bambergs zur bedeutenden Bischofsstadt war sie tätig. Beim Bau des Domes, der am 6. Mai – dem Geburtstag von Heinrich II. – 1012 eingeweiht wurde, und auch bei der Errichtung von Sankt Stephan in Bamberg, geweiht 1020, hat sie eigenverantwortlich mitgewirkt.
Zu Recht und Gott sei Dank werden sie im kirchlichen Regionalkalender des deutschen Sprachraums am 13. Juli gemeinsam gefeiert. Das war nicht immer so. Ursprünglich hatten beide ihre eigenen Gedenktage, Heinrich am 13. Juli (sein Todestag), Kunigunde am 3. März (ihr Todestag). Erst bei der Liturgie-reform, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, wurden ihre Gedenktage zusammengelegt. Sie sind auch getrennt heiliggesprochen worden, Heinrich 1146 und Kunigunde 1200. Im weltweiten Römischen Generalkalender wird für Heinrich II. der 13. Juli als Gedenktag angeführt; Kunigunde wird nicht einmal erwähnt. Die gemeinsame Verehrung des heiligen Kaiserpaares in der gesamten Weltkirche ist ein Desiderat, das vom Papst verwirklicht werden kann. Ein diesbezüglicher Antrag meinerseits blieb bislang unbeantwortet. 

Kinderlose Ehe
Kunigunde überlebte Heinrich um neun Jahre. Nach seinem Tod ordnete die selbstbewusste und allseits anerkannte Kaiserin das Reich und übergab es an den Nachfolger Heinrichs, Konrad II. Dann trat sie in das von ihr gegründete Kloster Kaufungen ein, wo sie 1033 starb. Ihr Leichnam wurde nach Bamberg gebracht und an der Seite Heinrichs bestattet. 
Heinrich und Kunigunde hatten sich aus reiner Liebe geheiratet, was damals in den Herrschaftshäusern eher selten war. Ihre Ehe war glücklich, aber trotzdem nicht frei von Spannungen, die aber für ihr Leben und Wirken in Kirche und Reich fruchtbar wurden. Davon zeugen die Legenden und die Lebensbeschreibungen. Beide waren Menschen mit vielen Emotionen, ehrgeizig und energiegeladen, gefühlvoll und zielstrebig, fromm und tugendhaft sowie zugleich weltlich und machtbewusst. 
Heinrich war sein Leben lang krank und leidend. Kunigunde war schön und gesund. Beide mussten auch Enttäuschungen verkraften, vor allem dadurch, dass ihnen Kinder versagt blieben. Dass sie keusch, das heißt zeitlebens ohne Geschlechtsverkehr miteinander lebten und sich das in einem Gelübde vor ihrer Heirat versprochen hatten, ist eine Erfindung von späteren Biographen, entspricht aber wohl nicht der Wirklichkeit. Sie wollten sicher Kinder, auch um die Dynastie der Ottonen weiterzuführen, die wegen ihrer Kinderlosigkeit mit ihnen zu Ende ging. Der Nachfolger von Heinrich II., Konrad II., war der erste König und Kaiser aus dem Geschlecht der Salier (1024-1039).  
Eine Ehe- oder Beziehungskrise ist besonders bekannt, weil sie zu einem Wunder geführt hat, das in vielen Kunstwerken dargestellt ist. Dieses ist auch Grund für die Symbole, mit denen die heilige Kunigunde meistens dargestellt wird – die Pflugscharen. Während Heinrich wieder einmal für längere Zeit abwesend war, führte Kunigunde in Bamberg die Alltagsgeschäfte weiter. Als er zurückkam, wurde sie von Widersachern und Neidern des Ehebruchs angeklagt. Heinrich schenkte den Anschuldigungen Glauben. Darüber war Kunigunde empört und zutiefst gekränkt. Beherzt verlangte sie ein Gottesurteil. Manche Legenden des Mittelalters erzählen auch, dass Heinrich das Gottesurteil gefordert habe, um sich der Unschuld von Kunigunde zu versichern. Pflugscharen wurden zum Glühen gebracht. Kunigunde schritt mit nackten Füßen darüber und blieb unversehrt. So bewies sie ihre Unschuld beziehungsweise wurde ihre Unschuld erwiesen. Diese Legende ist von Tilman Riemenschneider auf dem „Kaisergrab“ besonders schön und ausdrucksvoll dargestellt.  

Leidenschaftlich engagiert bis zum Tod
Heinrich opferte sein Leben für Kirche und Reich, die für ihn eine untrennbare Einheit bildeten. Dafür war er zeitlebens im Einsatz und unternahm viele Reisen im ganzen Reich bis zu seinem Tod. Als im Jahr 1024 die Metropolen im Osten – Magdeburg, Halberstadt und Goslar – sich vom Reich und seinen Idealen abzusetzen trachteten, zog er an diese Orte, um die Herrschaft zu sichern. Diese letzte Reise muss eine außerordentlich beschwerliche gewesen sein, denn er litt sehr an seinen Nierenkoliken. Hart gegen sich selbst, erreichte er zwar die Unterwerfung der Abtrünnigen, aber er kam auch an sein Lebensende. 
Am 13. Juli 1024 starb er im Beisein seiner Frau, die von Bamberg herbeigeeilt war, in der Pfalz Grona bei Hildesheim. Wie er angeordnet hatte, wurde sein Leichnam nach Bamberg überführt und im Dom beigesetzt. 

Fast in der Hölle?
Für seine Erfolge zugunsten des Reiches und der Kirche wurde Heinrich heiliggesprochen. 
Dass seine Lebensführung nicht ohne Weiteres und von allen als heilig anerkannt war, zeigt eine Legende, die sich auf den Zeitpunkt seines Todes bezieht. Im himmlischen Gericht wurde seine Seele durch den Seelenwäger, den hl. Erzengel Michael, gewogen. Die bösen Taten seines Lebens, die auf der einen Waagschale lagen, drohten zu überwiegen; die Teufel freuten sich schon und wähnten ihn bereits in ihrem Machtbereich, in der Hölle. Im letzten Moment warf der hl. Laurentius, der in Bamberg sehr verehrt wurde und wird, einen kostbaren Kelch, den Heinrich der Kirche von Merseburg oder Eichstätt geschenkt hatte, auf die Waagschale der guten Werke, die dadurch das Übergewicht bekam. So konnte Heinrich in den Himmel gelangen und das ewige Leben empfangen. Die Teufel mussten wütend und enttäuscht den Kampf um seine Seele aufgeben. Auch das ist eindrücklich auf dem Kaisergrab von Tilmann Riemenschneider dargestellt. 

Ein heiliges Kaiserpaar
Heinrich und Kunigunde konnten nur zusammen Heilige werden. Sie hatten viele gute Begabungen und charakterliche Eigenschaften. Auf der anderen Seite war vor allem Heinrich ein Machtmensch, der sich aber von Gott gesendet sah, das „Reich Gottes“ oder „Haus Gottes“ als Gottes Verwalter zu betreuen. Im Letzten Gericht werde er Rechenschaft für seine Verwaltung und sein Wirken ablegen müssen, davon war Heinrich überzeugt. Dabei vertrat er auch die Auffassung, dass die Bischöfe und selbst der Papst ihm von Gott unterstellt seien. In diesem Sinn übte er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln seine Herrschaft aus. 
Im Mittelalter wurden die Frauen und Männer als Heilige verehrt, die als Geschenk Gottes an Kirche und Welt betrachtet wurden. Mit diesen führe Gott seine Heilsgeschichte für die Menschheit und Schöpfung auf die Vollendung im Himmelreich zu, war die allgemeine Überzeugung. Heinrich und Kunigunde hatten sich Christus und seinem Reich verschrieben. Von Christus, dem König, sahen sie sich gesendet, für ihn lebten und wirkten sie unermüdlich. 
Die Kirche des 12. Jahrhunderts hat die Heiligkeit von Heinrich und Kunigunde in diesem Sinne durch die Heiligsprechung anerkannt. Wir dürfen beide als Heilige wegen ihrer Verdienste für Jesus Christus und sein Reich verehren und tun es erneut besonders im Jahr 2024, in dem sich der Todestag von Heinrich II. zum 1000. Mal jährt.

Zuletzt aktualisiert: 15. Juli 2024
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